Wien - Ein Modell des Erdmantels und der Plattentektonik mit bisher unerreichter Auflösung haben Wissenschafter des California Institute of Technology (Caltech) und der University of Texas at Austin (UT Austin), darunter der aus Österreich stammende Mathematiker Georg Stadler, entwickelt. Mit einer Auflösung von bis zu nur einem Kilometer können die Forscher damit die Bewegungen des Erdmantels und der tektonischen Platten simulieren. Die Arbeit wurde kürzlich im Wissenschaftsmagazin "Science" veröffentlicht.

Stadler und seine Kollegen haben für die neue Simulation Algorithmen für sogenannte adaptive Gitternetze und die Lösung extrem großer Gleichungssysteme entwickelt, die effizient auf großen parallelen Computern verwendet werden können. Üblicherweise werden für solche Simulationen die zu untersuchenden Regionen in ein Gitternetz unterteilt, wobei die Rastergröße dieses Netzes überall gleich ist. Das Problem dabei ist, dass bei zu großer Rastergröße wichtige lokale Vorgänge unberücksichtigt bleiben bzw. bei zu kleinem Raster die Rechenanforderungen für die Simulation zu groß werden.

Zahlen und Dimensionen

Die neue Methode erlaubt dort, wo es notwendig ist, eine feine Auflösung - und ermöglicht damit eine deutliche Reduktion der Zahl der Gitterpunkte. Wie Stadler erklärte, konnte mit der neuen Methode die Größe der Simulation um den Faktor 5.000 reduziert werden. Die neuen Algorithmen erlauben den Wissenschaftern globale Bewegungen des Erdmantels und deren Auswirkungen auf die Bewegungen der Kontinentalplatten sowie einzelner Mikroplatten und Verschiebungszonen mit einer Genauigkeit zu simulieren, die bisher nicht möglich waren. Da die zu lösenden Systeme immer noch über eine Milliarde Gitterpunkte haben, benötigt laut Stadler eine durchschnittliche Berechnung allerdings noch immer einige Stunden parallele Rechenzeit auf über 5.000 Prozessoren.

Vor allem die nun mögliche Berechnung der Vorgänge an einzelnen Verschiebungs- und Bruchzonen ist für die Wissenschafter von Bedeutung. An den Platten-Grenzen gibt es Hunderte bis Tausende solcher Störungszonen, die eine wichtige Rolle bei der Dynamik des gesamten Planeten spielen. "Wenn man diese Zonen nicht simulieren kann, kann man auch die Plattenbewegungen nicht richtig berechnen", so Stadler, nach dessen Angaben die Vergleiche mit den Messdaten eine überraschend hohe Übereinstimmung zwischen Realität und Simulation ergeben haben. Der gebürtige Steirer und Absolvent der Universität Graz, der seit vier Jahren in den USA forscht, war in den vergangenen Jahren für die interdisziplinäre Kooperation zwischen der UT Austin und Caltech verantwortlich, aus der die "Science"-Publikation hervorgegangen ist.

Stadler betont, dass die Simulationen natürlich in einem gewissen Zusammenhang zu Erdbeben stehen. So kann man etwa aus Erdbebenmessungen auf bestimmte, nicht direkt messbare Eigenschaften des Erdmantels rückschließen. Die Berechnungen könnten aber nicht helfen, Erdbeben vorauszusagen, die dafür zuständigen Mechanismen würden sich auf deutlich anderen Zeitskalen abspielen. (APA)