Wien - 40 Jahre Gefängnis in Kasachstan, 40 Jahre Gefängnis in Österreich oder eine komplette Neuaustragung des kasachischen Verfahrens in Österreich - egal, wie die heimische Justiz über den Auslieferungsantrag aus Kasachstan entscheidet, für den kasachischen Exbotschafter in Wien, Rakhat Alijew, wird in jedem Fall auch in Österreich der Boden heiß. Vielleicht ist er auch deswegen gar nicht mehr im Lande, Medienberichten zufolge soll er sich in Griechenland aufhalten.

Zweimal zu jeweils zwanzig Jahren verurteilt

Wie der Standard berichtete, wirft Kasachstan dem Exdiplomaten und Exschwiegersohn des Präsidenten Nursultan Nasarbajew Entführung und Erpressung vor. In Abwesenheit wurde Alijew in seiner Heimat inzwischen zweimal zu jeweils zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Drei Jahre nach dem Auslieferungsantrag ist die formale Entscheidung noch nicht gefallen. "Das Verfahren wird durch Eingaben der Rechtsvertreter beider Seiten ständig verzögert", heißt es bei der Staatsanwaltschaft Wien.

Im günstigsten Fall wird Auslieferung abgelehnt

Im für Alijew günstigsten Fall wird die Auslieferung abgelehnt. Doch damit würde sich die heimische Justiz dazu verpflichten, "stellvertretende Strafrechtspflege" zu übernehmen. Also entweder das Urteil zu vollziehen oder die Vorwürfe selbst noch einmal in einem Verfahren zu prüfen. Was aber einen Megaprozess mit gigantischem Aufwand bedeuten würde. Tausende Akten müssten übersiedelt und übersetzt, Zeugen (um viel Geld) nach Österreich gebracht werden. Wenn Alijew allerdings tatsächlich seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt hat, wäre Österreich das lästige Problem los. Immerhin ist Kasachstan wegen der geplanten Gas-Pipeline Nabucco ein wichtiger Wirtschaftspartner Österreichs.

Rakhat Alijew hat die Vorwürfe immer zurückgewiesen. Er sieht sich als Verschwörungsopfer des kasachischen Präsidenten. Kurz zusammengefasst habe Nasarbajew verhindern wollen, dass Schwiegersohn Alijew in seine Fußstapfen trete. Was der Präsident als erfundene Fiktion bezeichnet. Faktum ist, dass sich Nasarbajew per Gesetz eine lebenslange Amtszeit gesichert hat.

Verdacht der Fälschung

Bei den jüngst vom Falter veröffentlichten Unterlagen über ein kasachisches Mordkomplott gegen Alijew liegt der Verdacht nahe, dass es sich um Fälschungen handelt. Der Verfassungsschutz prüft die Papiere noch. Doch beschuldigte Personen haben Alibis, genannte Zeitpunkte können unmöglich stimmen. Und ein Killer dürften wohl kaum eine von ihm selbst legal erworbene, beim Beschussamt registrierte und für den Export deklarierte Schusswaffe verwenden. (simo, DER STANDARD Printausgabe 2.9.2010)