1997, als alles begann, reichte für die Philosophiebegeisterten und Referenten noch der Frühstücksraum im Hotel Krone aus. Mittlerweile ist auch die Kirche bis auf den letzten Platz besetzt

Foto: Prospera

Die Idee ging auf: Philosophie auf höchstem Niveau zu bieten und für ein breites Publikum offen zu sein.

Begonnen hat alles bei einem Gespräch zwischen dem Lecher Bürgermeister Ludwig Muxel und dem Schriftsteller Michael Köhlmeier. Man solle in Lech doch noch etwas anderes tun als Skifahren und Wandern, Denken nämlich, so die Idee von Köhlmeier, und das nicht nur ein bisschen nebenbei und zwischendurch, sondern intensiv, gleich über mehrere Tage hinweg. Der Bürgermeister findet Gefallen an dem Gedanken, künftig in Lech ein ganz anderes Publikum als während der Wintermonate zu begrüßen.

Doch damit aus der smarten Idee ein gutes Konzept wird, muss noch eine Person auf den Plan treten: der Philosoph Konrad Paul Liessmann. Er lässt sich nicht lange bitten und gesellt sich an Bord, allerdings nur unter der Bedingung, inhaltlich für die Gestaltung völlig alleine verantwortlich zu sein: "Themen und Referenten bestimme ich autonom. Ich bin leider nicht teamfähig, das weiß ich, daher muss ich es allein machen", sagt Liessmann.

Was soll es bringen?

Die Lecher sind anfänglich nicht so begeistert von der eigenwilligen Veranstaltung, fragen ihren Bürgermeister, was diese abgehobenen Philosophen mit dem Hang zu schwarzer Kleidung, für einen Ort wie Lech bringen sollen? Allerdings nicht lange; Gleich das erste Philosophicum wird ein großer Erfolg. Medien im gesamten deutschen Sprachraum bejubeln den neuen Ansatz. "Davor hatte niemand geglaubt, dass es möglich ist, Philosophie auf höchstem Niveau zu betreiben und gleichzeitig für ein breites Publikum offen zu sein", so Liessmann.

Über die Besucher des Philosophicums lässt sich nicht viel sagen, außer dass es sich um eine äußerst heterogene Gruppe handelt, die das Interesse an philosophischen Fragen eint. Anwälte, Biochemiker, Studenten - junge und alte -, Hausfrauen aus den Nachbarorten kommen genauso gerne wie Werner Witwer, Pfarrer aus der kleinen Gemeinde Kennelbach bei Bregenz. Das erste Mal zog es ihn quasi aus beruflichen Gründen nach Lech, als die Gretchenfrage "Nun sag, wie hast du's mit der Religion?" gestellt wurde. "Als Pfarrer habe ich mich von der Thematik sehr angesprochen gefühlt, wusste aber nicht, was mich hier erwartet." Heute weiß er es genau: "Die Vorträge sind interessant, teils schwierig. Aber man bleibt mit den Fragen nicht für sich, weil man in den Pausen und abends in der Philosophenbar Möglichkeit hat, sich mit den Referenten und den anderen Besuchern auszutauschen."

Das ist auch für Johannes Zellinger, Philosophielehrer an einem Wiener Gymnasium, ein Grund, nach Lech zu kommen: "Ich bin hier, weil vier Tage lang alles im Zeichen der Philosophie steht. Die verschiedenen Beiträge sind sehr kontroversiell, deshalb diskutiert hier auch jeder andauernd mit jedem. Und Möglichkeit zur Diskussion über zentrale Fragen sollte auch ein guter Philosophieunterricht in der Schule bieten. Insofern nehme ich viel für meinen beruflichen Alltag mit."

Einfach einmal abtauchen und Gedanken zulassen, die im normalen Alltag keinen Raum finden, will hingegen eine junge Juristin aus dem Lebensministerium: "Dazu sind die Bedingungen hier ideal, es gibt unter den Teilnehmern keinerlei Berührungsängste. Abgelenkt wird man nicht, weil um diese Zeit in Lech nichts mehr los ist."

Die Einheimischen haben ihre Philosophen über die Jahre auch lieb gewonnen. "Die Raben sind wieder da", stellt Diana Muxel, die Frau des Lecher Bürgermeisters, jedes Jahr zu Beginn des Philosophicums fest. Und ihre Worte sind freundlich gemeint. (Judith Hecht / DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.10.2010)