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Wien - Geht es nach der Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), Juliane Kokott, so könnte demnächst auch die letzte noch verbleibende Ausnahme bei den sogenannten Unisex-Versicherungstarifen fallen. Frauen zahlen aufgrund der längeren Lebenserwartung noch immer eine höhere Prämie in der Rentenversicherung. Schließt sich der EuGH der Meinung der Generalanwältin an (was in vier von fünf Verfahren der Fall ist), "zahlen Männer künftig eine höhere Prämie", sagte der Chef der Vienna Insurance Group (VIG), Günter Geyer zum Standard.

Die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie verbietet seit 2007 die Berücksichtigung des Geschlechts bei der Berechnung von Versicherungsprämien. Mit einer Ausnahme: "Sofern das Geschlecht ein bestimmender Risikofaktor ist" und dies durch genaue versicherungsmathematische und statistische Daten untermauert werden kann.

Daher zahlen Frauen in der Er- und Ablebensversicherung weniger Prämie als Männer, bekommen am Ende der Laufzeit aber gleich viel ausbezahlt. Auch die Erben der Versicherten bekommen im Ablebensfall die gleiche Versicherungleistung.

Uneinige Versicherer

"Sollte sich die Frau aber für eine lebenslange Rente entscheiden, so bekommt sie bei gleicher Versicherungsprämie eine geringere Rente als der Mann, weil sie statistisch länger lebt", erläutert Günther Reisel, Chef vom Aktuell Raiffeisen Versicherungsmaklerdienst.

In der privaten Krankenversicherung (Sonderklasse) ist seit 2007 das Risiko einer Geburt auf Männer und Frauen aufgeteilt. Seither bezahlen Männer auch eine höhere Prämie. Unterschiedliche Prämien sind aber nach der Häufigkeit von Krankheiten möglich, sagte Geyer.

Bei Raiffeisen zahlt etwa ein 18-jähriger Mann um fünf Euro monatlich weniger als eine Frau. Reisels Begründung: "Hier schlägt wieder die längere Lebenserwartung der Frauen durch. Ab dem 40. Lebensjahr zahlen dann beide gleich viel."

In der Kfz-Versicherung wird seit 2007 auch nicht mehr zwischen Männern und Frauen unterschieden, sagen die Versicherer. Differenziert wird dennoch: nach den gefahrenen Kilometern oder nach der Unfallhäufigkeit der Fahrzeuglenker.

Einig sind sich die Versicherungen jedenfalls nicht, und konkrete Zahlen wollen oder können die betroffenen Konzerne nicht sagen. Ohne genannt werden zu wollen, wurde aber grob folgender Schlüssel genannt: In der Unfallversicherung zahlen Frauen im Schnitt um 30 Prozent weniger als Männer. Bei der VIG gilt das nicht, sagte Geyer. In der privaten Krankenversicherung zahlen Frauen je nach Bundesland und Alter um etwa zehn bis 15 Prozent mehr. Bei der Ablebensversicherung zahlen Frauen deutlich weniger als Männer, bei der reinen Rentenversicherung um rund fünf Prozent mehr. (Claudia Ruff, DER STANDARD, Printausgabe 02./03.10.2010)