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Dieses prächtige Bison-Steak mit Balsamico-Tamarinden-Parfüm und gegrilltem Kukuruz ist selbstverständlich unschuldig.

Foto: AP/Crowe

Aigle/Madrid - Die spanische Öffentlichkeit und der Internationale Radsportverband (UCI) auf der einen, der spezifisch interessierte Rest, darunter die Welt-Antidoping-Agentur (Wada), auf der anderen Seite - in etwa so verläuft die Grenzlinie, wenn es um die Glaubwürdigkeit des Toursiegers Alberto Contador geht, der des Dopings mit Clenbuterol überführt wurde. Der 27-jährige Madrider erklärt das äußerst geringfügig positive, also für ihn höchst negative Ergebnis aus dem Kölner Wada-Labor mit dem Verzehr von verunreinigtem Fleisch während der Tour de France. Er sei bereit, sich "beide Hände abzuhacken", um die Welt von seiner Unschuld zu überzeugen.

Untermauern lässt er seine Rechtfertigung vom Dopingexperten Douwe de Boer. Der Niederländer kritisiert das Testverfahren seiner Kölner Kollegen als viel zu empfindlich. Zudem führt er eine Liste von Lebensmitteln ins Treffen, die mit Clenbuterol kontaminiert seien. Besonders in Spanien, woher das fragliche Fleisch kam, sei das ein großes Problem.

"Fast eine Komödie"

Dem widersprechen zwar Behördenvertreter. Die spanischen Medien sind aber ganz aufseiten des gefallenen Kletterers. Er genieße im Kampf um seine Unschuld hohe Unterstützung, schrieb El Mundo. Für die Marca war nur Contadors Steak gedopt. Eine Umfrage unter der Leserschaft ergab, dass ihn nahezu 80 Prozent für unschuldig halten. Rückhalt erfährt Contador auch von Kollegen:"Ich hoffe, dass er unschuldig ist", sagt Andy Schleck und sein Ex-Teamchef Johan Bruyneel - nach all den Verdächtigungen gegen ihn fast schon ein Leidensgenosse - pflichtet bei: "Ich glaube ganz stark daran, dass er das Opfer einer Lebensmittelverunreinigung war."

Die meisten Experten halten Contador aber schlicht für einen Lügner. Der Däne Rasmus Damsgaard schreibt dessen positives Ergebnis der Zufuhr von mit Clenbuterol verunreinigtem Eigenblut zu. Diese These stützt eine Meldung von L'Equipe, wonach bei der Analyse in Köln wie nach Bluttransfusionen häufig auch Spuren von Weichmachern gefunden worden seien. "Das ist fast schon eine Komödie" , sagte Werner Franke. Der deutsche Molekularbiologe prangert Contador schon seit Jahr und Tag als Doper an.

Der eigentliche Skandal könnte sein, dass die UCI mit dem eiligen Versprechen, die Sache näher zu untersuchen, Contador eine Ausrede geradezu aufgelegt hat.

"Verunreinigtes Essen? Wenn das Datum stimmt, ist es wahrscheinlicher, dass Alberto Contador den Landis gemacht hat und womöglich beim Eigenblut-Doping unvorsichtig gewesen ist", mutmaßt Damsgaard. Demnach könnte Contador vor der Dopingprobe Eigenblut reinfundiert bekommen haben, das ihm Monate zuvor entnommen worden war. "Zu dieser Zeit war vermutlich Clenbuterol in seinem Körper", sagte Damsgaard und ergänzte: "Eine andere Erklärung wäre, dass im Labor bei der A- und B-Probe Fehler gemacht worden sind. Das ist aber schier unmöglich."

Contador forderte unterdessen am Freitag eine Änderung der Anti-Doping-Regeln. "Das System ist zweifelhaft und sollte geändert werden. Für Substanzen wie Clenbuterol sollte ein Limit gesetzt werden, so dass niedrige Werte wie bei mir durch verunreinigtes Essen nicht gewertet werden." Ein mögliches Eigenblut-Doping weist Contador entschieden zurück. "Falls sie meine Blutproben von der Tour von anderen Laboren testen lassen wollen oder sie einfrieren, um sie in ein paar Jahren erneut zu testen - von mir aus. Ich habe nichts zu verbergen."

Ratio nein danke

Auch der deutsche Dopingexperte Prof. Fritz Sörgel traut der Version Contadors nicht. "'Ich denke ganz einfach, dass die Dopingszene weniger professionell ist als die meisten Leute annehmen. Denn die meisten Dopingskandale haben eines gezeigt: Die Sportler testen alles an sich aus. Was ihnen hilft, nehmen sie. Bei den Sportlern auf Intelligenz und Rationalität zu setzen - das mache ich schon lange nicht mehr."

Franke hält es ohnehin schon für einen großen Skandal, dass der dreimalige Toursieger nicht schon im Zuge der Operacion Puerto um den spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes aus dem Verkehr gezogen wurde: "Die Unterlagen aus der Operacion Puerto liegen mir vor. Auf Blatt Nummer 32 steht alles drauf, was Alberto Contador genommen hat. Das waren hauptsächlich Insulin- und Wachstumspräparate."

Deswegen glaube er der UCI auch kein Wort mehr. "Dass die UCI sagt, sie hat die Unterlagen nicht, ist eine glatte Lüge. Ich habe die Sachen nämlich aus einem Rechtsstreit, an dem die UCI beteiligt war. Sie muss die Unterlagen also haben", sagt der 70-Jährige und stellt die Frage, warum der Fall erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangt. Die UCI will sich indes zu dem Fall vorerst nicht mehr äußern. (sid, lü)