Maria Vassilakou möchte jene 170.000 Menschen erreichen, die in Wien schon einmal Grün gewählt haben. Nach dem Knick wegen Querelen in zwei Bezirken gehe es wieder bergauf.

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Standard: Laut einer aktuellen Umfrage vom Institut für Jugendkulturforschung kennt nur ein Drittel der 16- bis 19-Jährigen Maria Vassilakou. Müssen da nicht die Alarmglocken schrillen?

Vassilakou: Diese Umfragen kommen immer unmittelbar vor Wahlen, aber sie korrelieren nie mit unseren Wahlergebnissen. Und es ist auch die Frage, welche Jugendlichen befragt worden sind. Ich habe gute Bekanntheitswerte, und wir haben auch traditionell sensationelle Werte bei Gymnasiasten, bei Lehrlingen sind wir leider schwächer.

Standard: Wie kann man die Lehrlinge erreichen?

Vassilakou: Es ist insgesamt eine spannende politische Frage. Wie erreicht man junge Wählerinnen und Wähler, die kaum Zeitung lesen und nicht an traditioneller politischer Berichterstattung interessiert sind. Und da bleibt bis auf weiteres ein Weg für die Grünen übrig - Plakate und das Internet.

Standard: Aber die Grünen sind doch in den Social Networks aktiv, erreichen sie diese Jugendlichen dort nicht?

Vassilakou: Die Eigenschaft der Social Networks ist, dass sich Menschen im eigenen Umfeld vernetzen. Wir müssen längerfristig versuchen, in den Lehrlingsnetzwerken Fuß zu fassen. Es ist bekannt, dass die Grünen vorwiegend von Menschen mit höherer Bildung gewählt werden, egal ob jung oder älter.

Standard: Das heißt, die Leute, die eine Lehre machen, sind letztlich zu ungebildet, um sich für Politik zu interessieren. Kann man das so zusammenfassen?

Vassilakou: Das ist falsch. Aber Tatsache ist, dass Politik Lehrlingen nicht gerade die Schuhe auszieht. Die Grünen sind jedenfalls kein Elitenphänomen. Es ist viel mehr der Beweis fürs Scheitern der Bildungspolitik der vergangenen 20, 30 Jahre, dass man die für einen Elitenachweis hält. Ich will möglichst viel Bildung für alle. Das heißt, dass jeder junge Mensch mit 18 entweder Matura oder einen gleichwertigen Abschluss hat.

Standard: Was wäre ein gleichwertiger Abschluss?

Vassilakou: Was man gemeinhin Lehre mit Matura nennt. Ich möchte, dass möglichst jeder 18-Jährige einen Abschluss hat, mit dem man an einer Hochschule studieren kann, wenn man es wünscht.

Standard: Wie wollen Sie neue Wählerschichten erschließen?

Vassilakou: Wir haben primär ein Ziel: Jene 170.000 Menschen, die schon einmal in Wien Grün gewählt haben, anzusprechen. Und davon zu überzeugen, dass sie es am 10. Oktober wieder tun, denn nur starke Grüne sind die Garantie für mehr Umweltschutz, für billigere Öffis, für eine umfassende Schulreform

Standard: Ist das den Grünen gelungen?

Vassilakou: Der Wahlkampf läuft mit jeder Woche besser. Wir hatten Mitte August einen Knick wegen der Turbulenzen auf Bezirksebene. Aber seit wir mit unseren Themen im öffentlichen Raum präsent sind, geht es wieder mit den Prozenten bergauf. Es ist an der Zeit, dass mit den Grünen eine Erneuerungskraft zum Zug kommt.

Standard: Zum Zug können die Grünen nur mit der SPÖ kommen.

Vassilakou: Also: Her mit Rot-Grün. Weil wir Investitionen in die Schulen, in den Ausbau der Öffis brauchen, aber auch in neue Wege in der Energiepolitik. Weil wir in Wien tausende Arbeitsplätze brauchen, die wir nur schaffen und absichern können, wenn wir in den nächsten Jahren zum Beispiel in thermische Sanierung, Solarenergie, Ausbildung und Pflege investieren.

Standard: Alexander Van der Bellen führt in Wien einen Vorzugsstimmenwahlkampf. Es ist klar, dass er nur ins Rathaus wechselt, wenn er die Chance hat, Stadtrat zu werden. Ist das nicht Irreführung der Wähler, die ihn wählen, damit er in den Gemeinderat kommt?

Vassilakou: Er sagt ja ganz klar, dass er dann nach Wien kommt, wenn es eine Regierungsbeteiligung der Grünen gibt.

Standard: Heinz-Christian Strache sagt auch, dass er Bürgermeister werden will. Und ihm halten die Grünen vor, dass er eigentlich gar nicht wirklich in Wien kandidiert.

Vassilakou: Sorry, aber das ist ein Nebenschauplatz. Ich mache Strache alle möglichen Vorwürfe, ich mache ihm den Vorwurf des Rechtsextremismus, des Flirtens mit dem Neo-Nazi-Milieu, des Verwendens von Nazi-Symbolen, siehe Kühnen-Gruß, des Rassismus. Ach ja, und auch wegen seiner inhaltlichen Inkompetenz.

Standard: Sie haben Strache wegen des Comics bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.

Vassilakou: Wer kleine Kinder dazu anstiftet, auf andere Menschen mit Steinen zu werfen, ist ein Fall für den Staatsanwalt. Straches rassistische Enthemmung zeigt aber noch eins: Die Integrationspolitik in Wien muss Chefsache werden. Sollten die Grünen der nächsten Wiener Stadtregierung angehören, möchte ich Vizebürgermeisterin und Integrationsstadträtin werden. Das wäre die größte Watsche für Strache und seine rechten Recken.

Standard: Ist jetzt bei den Wiener Grünen alles friedlich?

Vassilakou: Für die Grünen selbst ist die Angelegenheit schon seit Juni erledigt.

Standard: Aber gerade im Wahlkampf muss Sie doch beschäftigen, dass im 6. und im 8. Bezirk Konkurrenzlisten kandidieren. Und dass der Achte wohl nicht mehr grün regiert werden wird.

Vassilakou: Nein, tut es nicht, weil es ist passiert. Und ich hab ja keinen Keller, in den ich Abtrünnige gefesselt werfen kann. Und ja, es gibt Konkurrenzlisten. Und wir versuchen das bestmögliche Ergebnis zu erreichen.

Standard: Was ist Ihr Wahlziel?

Vassilakou: Auf alle Fälle mehr als 100.000 grüne Stimmen am 10. Oktober. Das wären aufgerundet 15 Prozent Plus.

Standard: Welches Ergebnis wäre eine Niederlage?

Vassilakou: Ich spekuliere nicht damit, ich kämpfe, um zu gewinnen. Also fragen Sie mich am 10. Oktober.

Standard: Wird der 11. Oktober ein guter Tag für Sie sein?

Vassilakou: Auf jeden Fall der erste, sehr entspannte Tag in meinem Leben in diesem Jahr. Wahlkampf macht Spaß, aber der Tag, an dem die Fahrt mit der Achterbahn zu Ende ist, ist auch ein guter Tag. (Petra Stuiber, Bettina Fernsebner, DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.10.2010)