Bild nicht mehr verfügbar.

Luftige Stimmung bei Antonio Marras in Mailand

Foto: AP/Aresu

Milan Loves Fashion! Mit dieser Liebeserklärung auf zahllosen Plakaten schmücken sich derzeit die Geschäfte in Mailands Innenstadt. Sie begrüßen die Entscheidung der Modekammer, die Designerschauen für Frühjahr/Sommer 2011 zum ersten Mal im Zentrum der Metropole stattfinden zu lassen. Und so hat man den Kreativen, durchaus wörtlich zu verstehen, einen pinkfarbenen Läufer ausgerollt, der Journalisten und Einkäufer zu den einzelnen Schau-Plätzen führt.

Generell hat es vielen Designern diesmal die romantische Seite der Natur angetan. Domenico Dolce und Stefano Gabbana zaubern für ihre junge D-&-G-Linie einen märchenhaften Rosengarten auf die Bühne, der auch Alice im Wunderland gefallen hätte. Rosen wie aus einem Poesiealbum blühen auf wadenlangen Zeltkleidern im Stil der Siebzigerjahre, auf gebauschten Spielhöschen und superweiten Latzhosen. Für ihre Hauptkollektion jedoch dürften die beiden alles aufgekauft haben, was an Baumwollspitze zu greifen war. Und so haben sie Großmutters Bettwäsche und Tischdecken zu Korsettfutteralen verarbeitet, und Kreolenkleider zeigen schulterfreie CarmenDekolletés und weite Stufenröcke.

Auch Antonio Marras spielt in Patchwork-Manier mit weißer Spitze und Blumenstoffen auf fast bodenlangen Hängerkleidern. Breite, weinrote Saumblenden zieren im Rücken offene Schürzenkleider über Unterröcken. Sie passen gut zu Alberta Ferrettis knöchellangen Chiffonrücken mit Blumenbouquets in ausgebleichten Freskenfarben. Ihre Gärtnerinnen tragen dazu grobgestrickte Bändchenpullover, ausgefranste Strohhüte - und flache Heilandsandalen!

Letztere geben auch Tomas Maier's Bottega-Veneta-Kollektion die nötige Bodenhaftung. Herzstück sind auch hier weite Wallekleider mit marokkanischen Kaftanstickereien am Ausschnitt und applizierten Federn auf den Röcken. Dabei hält sich Maier, nach dem fulminanten Farbauftritt bei Gucci und Prada, auffallend zurück: Schwarz und Weiß, neben Nachtblau, Hellblau und Perlgrau, stehen ebenso für die Realität unseres Alltags wie Jacken, die aussehen, als hätte man ihr Innenleben nach außen gekehrt, ausgefranste Knopflöcher und unversäumte Kanten inbegriffen.

Es ging in Mailand um Farbe, neue Weiten und Längen. Auch Tommaso Aquilano und Roberto Rimondi, das neue Duo bei Gianfranco Ferré, mixen souverän in ihrer eigenen Kollektion verschiedene Blumendrucke auf knöchellangen Kleidern. Umso bedauerlicher ist es, zu sehen, wie erstarrt bei Ferré ihre perfekt geschnittenen Satinkostüme mit den Männerschultern und die in Streifen geschnittenen und aufwändig überstickten Pythonmäntel wirken.

Auch Donatella Versaces Kleider heben nicht ab, obwohl der Ausgangspunkt gut gewählt ist. Einmal umweht sie, in A-Linie und oberschenkelkurz, das Flair der Sechzigerjahre, ein andermal enden sie als körperbetonte Etuikleider eine Handbreit unterhalb des Knies und sind so rot, wie sie einst Marilyn Monroe im Klassiker Niagara trug. Dass sich dann aber Donatella auf Trägerlösungen und Knopfspielereien beschränkt, ist zu banal.

Und auch Giorgio Armani hat keine glückliche Hand, wenn er den klassischen Mini-Kostümchen seiner Emporio-Kollek- tion transparente, wadenlange Schlauchröcke unterzieht, um wenigstens bei den Saumlängen modisch mithalten zu können. Dafür schickt der Meister seine Hauptkollektion in Tuaregblau für wehende, knöchellange Röcke und Haremshosen in die Wüste - in flachen Sandalen natürlich.

Paris auf flachen Schuhen
Sollten die Tage auf High Heels tatsächlich gezählt sein? Auch Nicolas Ghesquière überrascht bei Balenciaga in Paris, wohin die Modekarawane mittlerweile gezogen ist, mit trittfesten, flachen Schuhen aus Hochglanzleder mit seitlicher Schließe. Sie begleiten kurze Mäntel aus schwerem Motorradleder mit Hahnentrittmuster ebenso wie die kurzen Röcke und exquisiten Blusen aus folienähnlich schimmerndem Tweed-Organza, denen Neoprenwesten, die Durchsicht nehmen. Dafür hat sich Ghesquière, wie übrigens auch Christophe Decarnin für Balmain, von der Bikerfront inspirieren lassen.

Doch was bei Balenciaga durch Couture-Niveau geadelt wird, wandert bei Balmain in die Trash-Ecke. Wieder einmal zeigen Seidenleibchen Löcher und Miniröcke gerissene, fransige Säume. Sie sind über und über mit Chromnieten bespickt. Jeans hingegen sind so eng, als hätte man sie auf die Beine gepinselt. Dazu zeigen ein paar Blazer noch Schulterbreiten, Motorradblousons hingegen kommen - oh, Schreck! - ohne Schulterpolster aus. Dazu grölt eine Stimme in Endlosschleife vom Band: "I did it my way!" Nun ja. (Peter Bäldle aus Mailand, Paris, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.10.2010)