Don Winslow, "Tage der Toten". Deutsch: Chris Hirte. € 14,95 / 687 Seiten. Suhrkamp, Berlin 2010

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Wären da nicht die wöchentlichen Horrormeldungen über die Drogenkriege in Mexiko, könnte man das lange Epos von Don Winslow glatt für eine Phantasterei halten. Aber dem ist nicht so; kopflose Leichen die von einer Brücke baumeln, 72 Erschossene auf einer Farm, ein verhafteter Drogenboss, der eine Armee von Auftragskillern befehligte - man liest das mit Schaudern und dem Bewusstsein, diese speziellen Dynamiken des Verbrechens sowieso nicht zu durchschauen.

Den Durchblick hat man auch nach Winslows finsterem Thriller nicht. Nur die Erkenntnis, dass die Drogenkriege mehr als eine Ursache haben, die Hintergründe und Interessen undurchsichtig sind und die Bekämpfer auf verlorenem Posten stehen. Hauptfigur ist der US-Drogenfahnder Art Keller, der durch verschiedene verstörende Szenarien jagt, in denen nicht mehr simple Schusswaffen, sondern militärisches Gerät zum Einsatz kommt. Er steigt zu einem mächtigen "Lord of the Border" auf, mit einem Büro in San Diego, wo ihm vom FBI bis zur DEA alle rechenschaftspflichtig sind. Doch der Preis ist hoch.

Die amerikanische Außenpolitik, Stichwort Iran-Contra-Affäre, bildet den Angelpunkt und macht den Krimi zu einem Politthriller. Der Autor, der angeblich selbst als Privatdetektiv gejobbt hat, arbeitet sich nach seinen Surfer-Krimis ins (tod)ernste Fach vor. Beeindruckend!
(Ingeborg Sperl, www.krimiblog.at / DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.10.2010)