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Ein Kinderzimmer bleibt auch als ehemaliges Kinderzimmer immer noch ein Kinderzimmer. Eltern-Kind-Strukturen sind schließlich auch erhalten, wenn die Kinder erwachsen sind.

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"Wenn ich Frauen kennenlerne, stelle ich mich grundsätzlich nicht so vor: Ja Hallo, ich heiße Markus, bin 29 und wohne bei meiner Mutter". Sagt Markus S., schmunzelt und knabbert weiter an seiner knusprigen Ente. Er ist Gast im Hotel Mama aber keine Made im Speck, also nicht frei von banalen Alltagsverantwortlichkeiten wie Kochen, Waschen und Putzen.

Niemand, wirklich niemand hat dem Menschen bestimmt, wann er erwachsen zu werden hat. Erwachsen sind Firmenchefs - oder Brückenkonstrukteure, vielleicht auch Lebensmittelprüfer oder irgendwelche Finanzexperten, die im Kaffeesatz Wege aus der Krise herauslesen. Nicht jeder hat es eilig. Dass das Hotel Mama aber ein Date-Killer sein kann, ist auch klar. "Meine Mutter klopft nicht an, wenn sie ins Zimmer kommt. Es ist ja ihre Wohnung", sagt Markus. Peinliche Momente? "Grundsätzlich kann ich schon jemanden mit heimbringen, in gewissen Augenblicken denke ich dann halt nicht dran. Wir reden nicht wirklich über Sex." 

Generation Bumerang

Markus ist Student und arbeitet Teilzeit. Nach der Trennung von seiner Freundin ist er aus der gemeinsamen Wohnung raus und hat Ende September, wo tausende junge Studenten kurz vor Semesterbeginn den Immobilien-Markt leerräumen, nichts Passendes gefunden. Zumindest nicht für 300 Euro "warm". Sein Budget sei klein, die Casting-Runden in den WGs mühsam, die Makler-Gebühren am privaten Sektor bereits eine unüberwindbare finanzielle Hürde.

Wenn das Elternhaus nicht die erste Option, eine Rückkehr in schweren Zeiten aber nicht ausgeschlossen ist: Die "Generation Bumerang" liegt im Trend. Sie sind jung, sie sind am Ende ihres Studiums angelangt, sie warten darauf, sich ins Berufsleben zu stürzen - und sind gerade wieder in ihr altes Kinderzimmer gezogen. Wissenschaftler nennen diese jungen Erwachsenen "Bumerang-Kinder": Diese kehren zurück ins Elternhaus - oft, nachdem sie bereits jahrelang in eigenen Wohnungen gelebt haben.

Überhaupt lieben junge Leute in Europa das Hotel Mama. Jeder zweite Mann und mehr als jede dritte volljährige Frau bis 34 Jahre wohnten 2008 noch zu Hause bei den Eltern. Das teilte das europäische Statistikamt Eurostat Anfang Oktober in Luxembourg mit. Bei jungen Studenten und Schülern bis 25 Jahre ist der Anteil besonders hoch. Drei Viertel von ihnen leben noch bei den Eltern. Danach geht die Zahl deutlich zurück, aber auch in der Altersgruppe bis 34 Jahre ist es immerhin noch jeder Vierte.

Über die Berufsjugend

Markus S. hat jetzt keinen genauen Zeitplan im Leben, fragt sich aber was Älter werden bedeutet, gerade in einer Gesellschaft, in der sich Statusübergänge (Heirat, Haushaltsgründung, Jobantritt) nach hinten verlagern. "Heutzutage kann es länger dauern. Schon das Studium auf der Uni kann man heute kaum mehr in Mindestzeit schaffen. Mittlerweile kann man mit 40 oder 50 noch den Berufsjugendlichen spielen, da brauch ich mir nur die Leute anschauen, die bei FM4 arbeiten. Die verhalten sich so als ob sie Mitte 20 wären. In diese jugendliche Twen-Schiene fällt man heute noch mit Mitte 30 hinein."

Älter werden kann man auch im Hotel Mama: Sei es wegen der Erziehung oder auch wegen rasant fallender Einstiegsgehälter. Sich das eigene süße Leben zu finanzieren wird schwieriger. Prekäre Arbeitsverhältnisse prägen die junge Generation. Und wenn man dann in Geldnot am Weg zum Supermarkt nur Muttis Kühlschrank öffnen muss, hat man schon die Antwort parat. Andererseits ignorieren manche Mütter beharrlich die Tatsache, dass die Nabelschnur zu ihren Söhnen gleich nach der Geburt gekappt wurde.

"Keine Orgien"

"Meine Mutter und ich sehen uns unter der Woche kaum, am Wochenende kann es aber Konflikte geben. Ich bin dann das Kind, das jederzeit zur Verfügung steht. Sie ruft mich wegen Kleinigkeiten - wenn die Glühbirne kaputt ist oder was ich etwa zum Essen haben will", sagt Markus. Er freue sich über einen vollen Teller, was drauf kommt sei ihm wurscht. Übel nimmt er ihr das nicht. Seine Eltern seien seit langem geschieden, zu seinem Vater bestehe kein Kontakt. "Meine Mutter hat mir viel ermöglicht. Ich will nicht sagen, dass ich in ihrer Schuld stehe, aber ich verdanke ihr sehr viel."

Gestritten werde vor allem um Zeit, die unterschiedlichen Lebensrhythmen machen Probleme. Die Wohnung ist 130 Quadratmeter groß, die Lebensbereiche könnten besser getrennt sein. Aber Markus‘ Mutter hätte Veränderungen nicht so gerne: "Es ist ihr gutes Recht. Sie geht früher schlafen als ich und steht auch früher auf. Ich kann halt nicht in der Nacht die Musik laut aufdrehen. Orgien gehen nicht." (Florian Vetter, derStandard.at)