Ein filmischer Rückblick auf eine Zeit, als in New York an neuen Filmen, Songs, Kunstwerken und Lebenspraktiken gearbeitet wurde, die gegen jede Vereinnahmung gefeit sein sollten.

Foto: Viennale

Wer heute nach New York fährt, wird nicht leicht noch Hinweise auf eine Stimmung finden, die in den späten 70er- und frühen 80er- Jahren dort geherrscht haben muss: den Eindruck einer sterbenden Stadt, in deren Ruinen sich eine ästhetische Bewegung formierte, die den Negationen des Punk eine letzte hinzufügte.

No Wave war als die definitive der vielen neuen Wellen in der Popkultur nach dem Zweiten Weltkrieg gedacht, als die ultimative Befreiung von den bürgerlichen oder gar puritanischen Hemmschwellen. Die Lower East Side wurde zum Rückzugsgebiet einer sexuellen und künstlerischen Avantgarde, die in den heruntergekommenen Wohnquartieren an Filmen, Songs, Kunstwerken und Lebenspraktiken arbeitete, welche nicht Gefahr laufen sollten, der "conquest of cool" zu unterliegen, mit der sich die Kulturindustrie noch jede rebellische Bewegung einverleibt hatte.

No Wave, das waren Filme von Richard Kern, Amos Poe oder Nick Zedd, mit Darstellern wie Lydia Lunch, und auch Jim Jarmusch drehte damals seinen ersten Film Permanent Vacation. Von all diesen Dingen berichtet nun der Dokumentarfilm Blank City von Celine Danhier, und es liegt in der Natur der Sache (und des zeitlichen Abstands), dass das, was seinerzeit wild und ungewöhnlich erschienen sein muss, heute historisch und "interessant" erscheint.

Den Protagonisten von damals, von denen eine ganze Reihe Interviews gegeben hat, sind die unterschiedlichen Lebenswege anzusehen, aber nur wenige vermögen wirklich ein heutiges Interesse auf sich zu ziehen wie Ann Magnusson, die eine bewegte Karriere vor allem als Musikerin hinter sich hat, das alles aber ganz gut überstanden zu haben scheint.

Das zentrale Moment an Blank City sind natürlich die Filmausschnitte, und davon gibt es tatsächlich so viele zu sehen, dass selbst für dieses kleine, aber einflussreiche Randphänomen der Popkultur so etwas wie eine Korrektur von auch hier schnell wirksam gewordenen Kanonisierungen denkbar wird - No Wave als Studienobjekt, wer hätte das gedacht? (Bert Rebhandl, DER STANDARD - Printausgabe, 30./31. Oktober/1. November 2010)