Nach der Einigung auf die rasche Reform der EU-Verträge, die einen Währungsfonds zum Schutz der Euro-Staaten bringen soll, droht in der Eurogruppe der nächste Streit. Es geht vordergründig nur um eine Personalie, die Nachfolge von Jean-Claude Trichet, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB). Er muss sein Amt nach acht Jahren in zwölf Monaten, am 1. November 2011, übergeben.

Der Papierform nach wäre dafür an sich noch viel Zeit. Aber bisher galt zwischen den wichtigsten politischen Playern in der Union als ausgemacht, dass der Chef der deutschen Bundesbank, Axel Weber, den Franzosen beerben wird, designiert noch vor Jahresende.

Damit käme wieder ein Vertreter aus einem Land mit Hartwährungstradition zum Zug. Trichets Vorgänger als erster EZB-Chef war der Niederländer Wim Duisenberg. Nach dem kompromisslosen Auftreten der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Brüssel, die weiterhin auf Einführung eines Stimmrechtsentzuges für unverbesserliche Eurosünder beharrte, gibt es aus Frankreich erste Stimmen, die Weber infrage stellen. "Das wird nun wohl nicht vor dem Sommer 2011 entschieden werden", heißt es aus Berlin. In deutschen Regierungskreisen ist man besorgt, dass die emotionale Frontstellung vieler Regierungschefs gegen Merkel im Vorfeld des EU-Gipfels negative Folgen bei der Kür des EZB-Chefs haben könnte.

Konflikt um Geldpolitik

Letztlich geht es dabei um den Kurs der Notenbank. Gemäß EU-Vertrag ist sie vollkommen unabhängig, vor allem dem Ziel einer stabilen Währung verpflichtet. Schon bei der Bestellung Duisenbergs im Mai 1998 hatte es dazu einen wilden Kampf zwischen dem damaligen Staatspräsidenten Jacques Chirac und dem deutschen Kanzler Helmut Kohl gegeben. Paris besteht - Vertrag hin oder her - bis heute darauf, dass letztlich die Politik über die Eurogeldpolitik entscheidet. Das wurde im Land der harten D-Mark immer abgelehnt. Nun könnte der französische Präsident Nicolas Sarkozy die Gelegenheit nützen, die Mehrheit der Europartner gegen den Deutschen Weber zu organisieren.

Sarkozy ist auch ein Dorn im Auge, dass Weber sich seit Wochen dagegen ausspricht, dass die EZB massenhaft Anleihen aus Krisenstaaten, auch faule Papiere, kauft. Paris würde lieber den Chef der italienischen Nationalbank, Mario Draghi, an die EZB-Spitze hieven. Mögliche Kompromisskandidaten: EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark, ein Deutscher, oder Yves Mersch, Notenbankchef in Luxemburg. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.11.2010)