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Nestwärme gesucht: Sparer und Staaten gehen derzeit eine perfekte Symbiose ein. Die Privaten wollen Sicherheit in ihren Anlagen, die Regierungen Europas brauchen niedrige Zinsen, um ihre Staatsdefizite zu refinanzieren. Sie treffen sich am Markt für staatliche Schuldtitel.

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Die Sache mit dem sicheren Hafen hat auch einen Haken. Die jüngsten Preisanstiege an den Anleihenmärkten haben Staatspapiere teurer gemacht. Bei einem Anstieg der Inflation oder einer Erholung der Weltwirtschaft könnten diese Wertpapiere ihren Sicherheitsbonus verlieren.

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An den Finanzmärkten gilt normalerweise eine simple Regel. Wer mehr Risiko nimmt, hat langfristig mit mehr Rendite zu rechnen. Doch in den vergangenen Jahren ist diese Rechnung überhaupt nicht aufgegangen. Riskante Anlagen wie Aktien oder Rohstoffe haben im vergangenen Jahrzehnt Achterbahnfahrten und zwischenzeitliche Abstürze erlebt. Wer hingegen sein Geld in konservative Staatsanleihen Deutschlands oder Österreichs angelegt hatte, konnte sein Erspartes erhalten und vermehren.

Gerade die Anleihen der sichersten Staaten haben besonders hohe Rendite abgeworfen. Anleger, die 2007 eine zehnjährige österreichische Staatsanleihe mit einem Kupon von 4,3 Prozent in ihr Portfolio gelegt haben, haben vor Steuern eine Rendite von 7,33 Prozent pro Jahr einheimsen können. Nach Berücksichtigung der Kapitalertragssteuer auf die Zinszahlungen waren es immer noch 6,3 Prozent jährlich.

Heute sind in Österreich 4,4 Milliarden Euro direkt in österreichischen Bundesanleihen investiert, rund 67 Milliarden in Anleihenfonds. Dieser Wert ist seit 2007 stabil. Doch Anleihen stellen für viele Sparer einen blinden Fleck dar. In einer Gfk Umfrage gaben 1000 Österreicher an, dass ihnen die Anlagevehikel Anleihen und Anleihenfonds kaum bekannt seien, sie rangierten auf den letzten Plätzen, weit abgeschlagen vom Sparbuch oder dem Bausparer.

Hohe Nachfrage

Doch in unsicheren Zeiten ist die Nachfrage nach sicheren Anleihen hoch. 2009 und 2010 gehörten zu den besten Jahren für Anleihenfonds weltweit. Aktienstratege Matthew Garman von Morgan Stanley geht weiter und sagt, dass Anleihen heute beliebter sind als Aktien am Höchststand der Internetblase im Jahr 2000. In den zwölf Monaten vor dem Platzen der Blase 2000 sind 340 Milliarden Dollar in Aktienfonds geflossen. Im vergangenen Jahr sind aber über 400 Mrd. Dollar in Anleihenfonds geflossen.

Die gestiegene Nachfrage spüren auch die österreichischen Schuldenmanager. In Österreich begibt die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) die Bundesanleihen im Auftrag der Republik. Niklas Pax von der ÖBFA betont etwa, dass die vergangenen Auktionen von Bundesanleihen auf weiterhin großes Anlegerinteresse gestoßen sind: „Die hohe Nachfrage lässt sich am Preis ablesen." Heute zahlt der Bund auf zehnjährige Staatsanleihen weniger als drei Prozent Zinsen, noch im Juni 2008 waren es 4,8 Prozent Zinsen.

Gefahren für Anleihen

"Die hohe vergangene Performance der sicheren Staatsanleihen ist sehr verlockend für Anleger", bestätigt Martin Bohn, Chief Investment Officer für Anleihen bei der Bawag PSK Invest. Doch der Anleihenexperte räumt ein, dass das Potential für das Wertpapiersegment nach den jüngsten Zuwächsen geringer ist. Tatsächlich lauert für das wohl wichtigste Anlagesegment eine Gefahr: ein nachhaltiger Aufschwung. "Ein starker Wirtschaftsaufschwung wäre für langfristige Staatsanleihen sehr gefährlich", urteilt Bohn. Dann könnten nämlich zwei Performance-Killer die sicher geglaubten Wertpapiere belasten. Erstens fällt die Sicherheitsprämie von Anleihen aus Deutschland oder Österreich weg. Anleger wären dann wohl nicht mehr bereit für Zinsen von unter drei Prozent das Geld zehn Jahre lang zu "parken".

Zweitens gibt es die Probleme höherer Teuerung, also Inflation, und steigender Zinsen. Das Problem der „Geldillusion" wird bei einem Beispiel deutlich. Eine zehnjährige deutsche Bundesanleihe bringt heute unter 2,5 Prozent Zinsen. Wenn aber die Preise für Güter des täglichen Gebrauchs um zwei Prozent steigen, so wie es das Ziel der Europäischen Zentralbank vorsieht, dann bleibt einem Anleiheninvestor eine reale Rendite von nur noch 0,5 Prozent. Steigt sie darüber, muss ein Anleger durch die Finger schauen und verliert real an Kaufkraft.

Zudem müssen auch Anleiheninvestoren einen Kapitalverlust verkraften können. Steigen die Zinsen in einer Volkswirtschaft, fallen die Preise für die fix verzinsten Papiere. So rechnen etwa die Analysten von Goldman Sachs für Deutschland mit einem zehnjährigen Zins von 3,6 Prozent im Dezember 2011. Das sind 1,1 Prozentpunkte höher als heute. Für jeden Prozentpunkt höhere Zinsen wertet eine langfristige Anleihe mit zehn Jahren Laufzeit knapp sieben Prozent ab.

Langfristige Schuldtitel mit Laufzeiten von sieben Jahren oder mehr oder Fonds, die in diese Papiere investieren haben heute kaum mehr einen Puffer gegen steigende Zinsen oder Inflation. Daher haben Fondsmanager wie Bohn eher kurzfristige Staatsanleihen in seinem Portfolio. Diese werfen zwar weniger Rendite ab, leiden aber nicht in einem Umfeld steigender Zinsen.

Negatives Szenario eingepreist

Daher müssen Sparer bei der Anleiheninvestition abwägen. Glaubt man an ein Szenario, in dem die Wirtschaft kaum von der Stelle kommt und die Preise fallen, dann sind Anleihen ein gutes Investment. Geht man aber von einer moderaten oder hohen Inflation aus, sollte man die fix verzinsten Wertpapiere kritischer sehen. Tatsächlich warnen schon angesehene Kapitalmarktforscher wie Jeremy Siegel, Professor an der renommierten Wharton School, vor einer Blase am Markt für Staatsanleihen. So drastisch sehen das andere Marktteilnehmer freilich nicht. Derzeit sei eher das negative Szenario, die Deflation, eingepreist, so Harald Besser, Anleihen-Fondsmanager bei der Kathrein Privatbank. Aber „man sollte sich nicht auf ein einziges Szenario verlassen", so der Experte.

Sichere Staatsanleihen von Österreich oder Deutschland bieten zwar weiterhin Schutz vor einem Wirtschaftsabschwung. Doch real, also nach Berücksichtigung der Inflation, wird ihr Ertrag nur mager sein, und im Fall einer globalen Erholung müssen auch konservative Anleger Verluste hinnehmen.(Lukas Sustala, derStandard.at, 1.11.2010)