Wien - Stiftungen polarisieren. Privileg der Reichen, meinen Kritiker. Instrument zur Sicherung von Familienbetrieben, sagen Befürworter. Auch wenn im aktuellen Budgetpaket die Zwischensteuer auf 25 Prozent verdoppelt wird, bleibt eine Frage unbeantwortet: Warum ist das Engagement für Gemeinnützigkeit der Stiftungen so gering? Vorschläge, zuletzt von ÖAAB-Chef Michael Spindelegger im Standard vorgebracht, wonach Steuervorteile nur gegen Auflagen im Bereich der Gemeinnützigkeit gewährt werden sollen, wurden neuerlich nicht berücksichtigt.

Eine neue Studie der Wirtschaftsuniversität Wien zeigt nun, wie gering die Ambitionen auf diesem Gebiet sind. Von den 3141 Privatstiftungen (Erhebungszeitraum November 2008) waren nur 210 rein gemeinnützig. 34 Sparkassenstiftungen hatten "vorrangig gemeinnützige" Zielsetzungen. Mehr als 91 Prozent, konkret 2881, sind eigennützige Privatstiftungen. Bei rund der Hälfte ist aber immerhin die Option der Gemeinnützigkeit festgehalten. Darüber hinaus gab es noch 246 Landes- und 223 Bundesstiftungen, die ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgen dürfen.

Die Conclusio von Studienautor Michael Meyer: "Insgesamt zeichnen diese Zahlen ein düsteres Bild der privaten Philanthropie in Österreich." In allen Privatstiftungen sind zwar rund 100 Milliarden Euro gebunkert. Für gemeinnützige Zwecke werden aber nur zehn bis 40 Mio. Euro jährlich ausgeschüttet. Über die Bundes- und Landesstiftungen kommen noch einmal 11 bis 13 Mio. dazu. Zum Vergleich: In der Schweiz werden 850 Mio. Euro wohltätigen Zwecken zugeführt. Im zehnmal größeren Deutschland sind es gar 15 Milliarden Euro.

Nun könnte man erwarten, dass in Österreich vielleicht das Spendenvolumen größer ist. Stimmt auch nicht: Den 295 Mio. Euro an Privatspenden stehen 522 Mio. der Schweizer und 4,3 Mrd. der Deutschen gegenüber.


Fehlende Tradition

Als Erklärung für das geringe soziale Engagement der Österreicher wird "das Fehlen eines entsprechenden Selbstverständnisses und einer diesbezüglichen Tradition" angeführt. Aber auch die Gesetzeslage ist hinderlich: Steuerliche Gemeinnützigkeitsbegünstigungen kann nur lukrieren, wer "unmittelbar gemeinnützig oder mildtätig aktiv ist". Das heißt, man muss selbst Sozialprojekte durchführen, es reicht nicht, Einrichtungen Geld zu geben.

Gleichzeitig sind eigennützige und gemeinnützige Stiftungen steuerlich gleichgestellt. Es gibt also keinen Anreiz, sich gemeinnützig zu engagieren. Freilich: Die steuerlichen Vorteile wurden in den letzten Jahren "sukzessive eingeschränkt". So waren Stiftungen vor allem vor der Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer bei der Eingangsbesteuerung begünstigt. Generell gilt aber noch immer: "Neben Österreich haben etwa nur die Schweiz, Liechtenstein, Schweden oder Dänemark derart liberale Stiftungsgesetzgebungen."

In welchen Bereichen engagieren sich nun wohltätige Stifter? Am häufigsten sind Förderungen im "Bildungs- und Forschungsbereich". Am zweithäufigsten wurde die Unterstützung von "sozialen Diensten" genannt. An dritter Stelle kommen Kultureinrichtungen sowie der Betrieb von eigenen Kunstsammlungen.(Günther Oswald, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 2.11.2010)