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Dilma Rousseff standen die Tränen in den Augen, als sie dem scheidenden Staatschef Lula da Silva dankte. "Die Freude über meinen Sieg vermischt sich mit den Emotionen über seinen Abschied", sagte die künftige und überhaupt erste Präsidentin Brasiliens. 55,8 Millionen Brasilianer stimmten in der Stichwahl für sie, gut 56 Prozent. "Meine erste Verpflichtung ist es, die brasilianischen Frauen zu ehren", rief sie zu Beginn ihrer Siegesrede.

Seit 2003 ist die Tochter eines bulgarischen Einwanderers, die 1947 in Belo Horizonte geboren wurde, eine Schlüsselfigur im System Lula. Zunächst diente die Volkswirtin dem Präsidenten als Energieministerin. Behutsam stärkte sie die Rolle des Staates in der Stromwirtschaft, bis sie 2005 als Präsidialamtsministerin ins Machtzentrum rückte.

Ihre linke Vergangenheit hat die loyale Technokratin nie verleugnet. 1967, drei Jahre nach Beginn der Militärdiktatur, schloss sie sich dem Widerstand an. Rasch stieg sie in die Führungszirkel der Stadtguerilla auf. An bewaffneten Aktionen habe sie sich nie beteiligt, sagt Rousseff. 1970 wurde sie verhaftet, sie wurde wochenlang gefoltert und verbrachte fast drei Jahre in Haft.

Respekt bis weit in bürgerliche Kreise hinein verschaffte sie sich in den 80er-Jahren als Finanzdezernentin von Porto Alegre. Bis 2002 amtierte sie als Energieministerin des Bundesstaats Rio Grande do Sul, bis Lula sie nach Brasília holte.

Ihr wohl größtes Manko ist ihr schnörkelloses, oft brüskes Auftreten. Der Musiker und Ex-Kulturminister Gilberto Gil bescheinigte der zweimal geschiedenen Mutter einer Tochter eine "starke Persönlichkeit mit Macho-Zügen". Anfang 2009 legte Rousseff sich ein weiblicheres Image zu. Sie ließ sich liften und tauschte ihre Brille gegen Kontaktlinsen.

Pragmatisch und machtbewusst wie Lula, setzt Rousseff ganz auf fragwürdige Staudammprojekte in Amazonien und macht sich für einen Wachstumskurs stark. Kaum überzeugend wirkten ihre Versuche, die Wähler der evangelikalen Grünen-Kandidatin Marina Silva zu umwerben. Selbstverständlich sei sie "persönlich" gegen Schwangerschaftsabbrüche und auch gegen die Homo-Ehe, beteuerte sie auf einmal.

Dass sie kämpfen und effizient managen kann, hat Dilma Rousseff zur Genüge bewiesen. Ob es ihr gelingen wird, als Staatschefin aus dem langen Schatten ihres populären Vorgängers Lula herauszutreten und eigene Akzente zu setzen, muss sich erst noch zeigen. (Gerhard Dilger/DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2010)