Christ zu sein kann im Nahen Osten (und anderen muslimisch dominierten Regionen in Asien und Afrika) eine lebensgefährliche Angelegenheit sein. Die Geiselnahme mit 52 Toten in einer syrisch-katholischen Kirche in Bagdad ist ein besonders dramatischer Beweis dafür. Anzumerken ist, dass zumindest in Österreich die offizielle anerkannte Vertretung der Muslime, die Islamische Glaubensgemeinschaft, den Vorfall - wie auch andere ähnliche vorher - scharf verurteilt hat (es äußerste sich allerdings "nur" der Integrationsbeauftragte, Omar al-Rawi, der abtretende Präsident Schakfeh hielt sich bisher zurück).

Christen werden in muslimischen Ländern teilweise verfolgt, teilweise massiv behindert. Letzteres ist immer noch im EU-Kandidatenland Türkei der Fall, obwohl hier eine allmähliche Lockerung eintritt. Die gemäßigt-muslimische Regierung hat kürzlich wieder einen Gottesdienst in der Paulus-Kirche in Tarsus, dem Geburtsort des Apostels und eigentlichen Gründer des Christentums als Weltreligion, gestattet.

Der Bau ist aber immer noch als Museum gewidmet. Die Rückgabe und Wiedereröffnung des erst 1971 (!) geschlossenen Priesterseminars auf den Prinzeninseln im Marmara-Meer liegt noch in weiter Ferne. Dennoch ist es kein Zeichen von Schwäche des liberalen Rechtsstaates und der Demokratie, dass die Ausübung der muslimischen Religion in Europa unvergleichlich leichter ist - im Gegenteil. (Hans Rauscher/DER STANDARD Printausgabe, 2.11.2010)