Bild nicht mehr verfügbar.

Der Haftbefehl gegen den Wikileaks Gründer hat nichts mit der Veröffentlichung der diplomatischen Depeschen zu tun. Es geht um den Vorwurf der Vergewaltigung, der in Schweden gegen ihn erhoben wird.

Foto: EPA/FELIPE TRUEBA

Stockholm/Washington - Wikileaks-Gründer Julian Assange ist von Interpol zur Fahndung ausgeschrieben worden. Wer Angaben über Assange machen könne, solle sich an die örtliche Polizei wenden, hieß es Mittwoch auf der Webseite der internationalen Polizeiorganisation. Schwedens Behörden haben am 18. November die Festnahme des 39-jährigen gebürtigen Australiers angeordnet. Gegen ihn laufen Ermittlungen wegen Vorwürfen von Vergewaltigung, sexueller Belästigung und Nötigung, zu denen er angehört werden soll. Assange hat die Anschuldigungen als grundlos zurückgewiesen.

Interpol stellte eine Red Notice aus, die es den nationalen Polizeibehörden ermöglicht, Haftbefehle in andere Länder weiterzuleiten, um Festnahmen und Auslieferung zu erleichtern. Assanges Mutter Christine äußerte sich besorgt. Sie wolle nicht, dass "Jagd auf ihren Sohn" gemacht werde. Sein schwedischer Anwalt, Björn Hurtig, bezeichnete die Ausfertigung des hochpriorisierten Haftbefehls gegen seinen Klienten angesichts der ihm vorgeworfenen Delikte als "extrem ungewöhnlich". Er legte Berufung dagegen ein.

"Sarkozy proamerikanisch"

Unterdessen gab es auch am Mittwoch wieder neue US-Depeschen auf Wikileaks und weltweite Reaktionen darauf. Pakistan wies die in einem Bericht geäußerten Sorgen, dass die Atomwaffen des Landes in die Hände islamistischer Terroristen fallen könnten als unbegründet zurück. Der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan dementierte Meldungen, dass er über Schweizer Konten verfüge. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wurde in einem Report als "pro-amerikanischster aller französischen Präsidenten seit dem Zweiten Weltkrieg" eingestuft. In einem anderen Papier wird vermerkt, dass die USA Druck auf die Regierung Zapatero in Madrid ausgeübt habe. Ein vom U-Richter Baltasar Garzón angestrengtes Verfahren gegen die USA würde scharfe Konsequenzen nach sich ziehen. Die Spanier versicherten laut Kabel: "Die Staatsanwaltschaft hat eine Strategie, mit Garzón fertig zu werden."

In einer Depesche heißt es, dass der neue IAEO-Generaldirektor Yukiya Amano "verlässlich in unserer Spielhälfte steht". Der amerikanische UN-Botschafter in Wien, Glyn Davies, bedauerte in einem Statement die Verbreitung vertraulicher Informationen und die damit verbundenen "Peinlichkeiten" und "Unannehmlichkeiten". Was mögliche bilaterale Verstimmungen zwischen Wien und Washington betrifft, hat US-Botschafter William Eacho bereits vergangene Woche Außenminister Michael Spindelegger informiert. Ein Diplomat schätzte das Potenzial der Irritationen in den Depeschen aus Wien als gering ein, dennoch habe man sich bereits bei Betroffenen entschuldigt.

Assange selbst gab Time Dienstag via Skype ein Interview, in dem er Hillary Clinton zum Rücktritt auffordert. Wenn sie für die von Wikileaks aufgedeckten Spionage-Anweisungen an Diplomaten verantwortlich sei, müsse sie dafür die Verantwortung übernehmen. Clinton erklärte am Rande des OSZE-Gipfels in Astana, sie sei stolz auf die Arbeit der US-Diplomaten. (pra/DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2010)