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Ihr Vorbild ist Unabhängigkeitskämpfer Mahatma Gandhi, ihr Feindbild ist Finanzminister Josef Pröll - Studenten der Uni-Wien sehen Hungerstreik als "letzten Ausweg".

Foto: Hans Punz/dapd

Um halb zehn Uhr morgen ist die Wiener Hauptuni gut besucht. Professoren und Studenten treten vom eisigen Schneetreiben in die Aula und hasten zu ihren Vorlesungen. Manche bemerken in ihrer Eile gar nicht die Schlafsäcke, die rund um den geschmückten Christbaum liegen. Zwischen Decken und Polstern sitzen und liegen etwa zehn Studenten, in Schals und Hauben gehüllt, schlafend und lesend. Sie bilden den harten Kern von etwa 35 Leuten, die gestern um zehn Uhr morgens in den schweigenden Hungerstreik getreten sind.

Forderung nach Vermögenssteuer

Anlass dafür war die parallel stattfindende Budgetrede von Finanzminister Josef Pröll. "Der Budgetentwurf greift wertvolle Errungenschaften unserer Gesellschaft an, treibt ohnedies bereits sozial Schwache weiter in einen schwierigen Lebensstandard und hungert wichtige Bereiche der Gesellschaft aus", heißt es in einem Aufruf zum Hungerstreik auf der Facebook-Seite der Protestbewegung "Unsere Uni". Der Streik "ist eine symbolische Handlung gegen die Aushungerung unserer Gesellschaft", erklärt einer der Streikenden, Alexander Trinkl. "Eines der reichsten Länder der Welt, hat einen der niedrigsten Anteile an vermögensbezogenen Steuern in der EU", meint Trinkl weiter. Anstatt dort anzusetzen, spare man bei denen, die keine Lobby haben, führt ein anderer aus der Gruppe fort. Dem stimmt auch Claudia Thallmayer zu. Sie ist Koordinatorin der feministischen Hilfsorganisation WIDE - eine von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (EZA) finanziert wird, und besucht die Teilnehmer des Streiks.

Kürzungen bei Entwicklunshilfe

Thallmayer hält die Budget-Kürzungen für "total überproportional". Wie derStandard.at berichtete, beinhaltet das vom Finanzminister vorgestellte Budget Einsparungen bei der EZA von etwa 83 Millionen Euro. Die Behauptung der Österreichischen Entwicklungsagentur ADA, jedes laufende Projekt oder Programm, das von der ADA finanziert wird, könne weiter finanziert und zu Ende geführt werden, hält Thallmayer für "schlicht unmöglich".

Hungerstreik als letzter Ausweg

Die Streikenden in der Aula sehen die Aktion als letzten Ausweg, um gegen die Kürzungen bei EZA, Pflege, Unis, Schulen und Familien zu protestieren. "Wir hoffen, dass die Gesellschaft mehr Druck auf die Regierung macht und sich uns auch andere Berufsgruppen anschließen", sagt Peter Nitsche, der die vergangene Nacht im Schlafsack an der Uni verbracht hat. Der Unmut zwischen den Streikenden ist nach einer kalten, langen Nacht noch gewachsen. "Pröll ist sowieso politisch am Ende", heißt es von Sabine Klotz, einer Studentin, die auf die negativen Umfragewerte des Vizekanzlers verweist.

Schweigende Kälte

"Die Kälte war das Schlimmste. Es soll ja auch keinen Spaß machen", sagt Klotz. Mittlerweile sind fast alle aus ihren Schlafsäcken gekrabbelt und sitzen schweigend mit einer Tasse Tee auf ihren Unterlagen. Die Reaktionen von den vorbeigehenden Studenten sind unterschiedlich. "Ich habe ehrlich gesagt noch überhaupt nichts davon mitbekommen", gesteht eine Studentin. "Schön, dass jemand etwas dagegen tut", meint eine andere. Viele wollen zu dem Thema allerdings keinen Kommentar abgeben. "Wir haben viele positive Reaktionen bekommen", meint dagegen Klotz. "Auch die Direktion hat sich sehr kooperativ gezeigt", sagt Nitsche.

Inzwischen ist es zehn Uhr und der Hungerstreik wird offiziell beendet. Die Streikenden versammeln sich um ein Tablett mit Semmeln, Nutella und Orangensaft. Am Boden sitzend nehmen sie nach 24 Stunden ihr erstes Essen zu sich, während der Uni-Alltag weitergeht. (Daniela Neubacher, derStandard.at, 1. Dezember 2010)