Gerd Leonhard hat eine ungewöhnliche Berufsbezeichnung: "Futurist". Genauer gesagt "Medienfuturist". Und als ebensolcher hält er Reden, leitet Seminare, schreibt Bücher und berät Firmen zu den Themen Konvergenz, Verbrauchertrends und Medien. So geschehen auch Dienstag Nachmittag in Wien, wo der gebürtige Deutsche auf Gewista-Einladung vor knapp einem Dutzend Interessierter über die Zukunft der Werbung sprach. Sein Fazit: "Werbung als Krach und Unterbrechung ist vorbei."

"Gewollt" nicht "gehasst"

Das gastgebende Unternehmen macht mit seinen Plakaten und Litfaßsäulen zwar - anders als das Fernsehen - keinen "Krach", teuer und ungewollt seien die Werbeinhalte trotz allem. "In einer vernetzten Welt muss Werbung etwas sein, das Wert erzeugt", meinte Leonhard. "Sie soll 'gewollt', nicht 'verhasst' sein." Durch die Verbreitung mobiler Geräte könne Werbung "personalisiert und synchronisiert" werden, zum Inhalt statt zur Belästigung mutieren. In Japan gäbe es bereits Techniken, durch die der potenzielle Konsument auf offener Straße gescannt und eine individuelle Werbung erstellt wird. Eine ständige Beobachtung und Personalisierung, "die vom europäischen Standpunkt aus gesehen natürlich besorgniserregend ist", so der 49-Jährige. Trotz allem liege die Zukunft in der Verknüpfung von Mobilgeräten und Outdoor-Werbung.

Erfolgreich seien in jüngster Vergangenheit jene Kampagnen gewesen, die auf der Idee basierten, dass Konsumenten die Botschaft weiter erzählen. "Lügen ist in der Werbung heute viel schwieriger als früher", so Leonhard, "weil die Menschen so gut vernetzt sind und schnell dahinter kommen." Damit gewinnen die Konsumenten an Kontrolle. "Wir bewegen uns in Richtung eines radikalen 'Consumer Empowerments'", erläuterte Leonhard. "Ich sehe, was ich will, und werde nicht mit dem Rest belästigt." Das alles soll durch soziale Netzwerke ermöglicht werden - "und mobile Geräte werden die Fernbedienungen für unser Leben".

Was Leonhard innerhalb von 45 Minuten abhandelte, ist auch abseits von Vorträgen sein Job: "The Future Agency" heißt sein Unternehmen, das Firmen berät, "die sich neu definieren wollen". Seine Anfänge hat der 49-Jährige eigentlich in der Musikindustrie, ehe er sich als Internetunternehmer in San Francisco niederließ. Als "Futurist und Strategieberater", so heißt es in seinem Portfolio, kehrte er 2001 nach Europa zurück; heute lebt er in Basel. (APA)