Screenshot aus "Et la guerre est à paine commencée".

Foto: Der kommende Aufstand

Die kleine Aufregung, die Der Spiegel ausgelöst hat, indem er Passagen aus dem Manifest Der kommende Aufstand des Unsichtbaren Komitees abgedruckt hat, hat sich schnell verflüchtigt. Der Text gehört nun wieder in die Reihe populärer bis apokrypher Äußerungen aus dem Feld einer globalisierungskritischen, digital und faktisch aber selbstverständlich globalen Linken, die sich seit den späten 1990er Jahren herausgebildet hat, dabei aber immer amorph geblieben ist. Ein interessantes, anonymes Zeugnis aus dem Jahr 2001, das deutlich auf Der kommende Aufstand vorausweist, hat die Form eines achtzehnminütiges Video: "Et la guerre est à paine commencée" (Der Krieg muss erst richtig beginnen).

Der Film sieht aus wie eine Hommage (eine Parodie?) auf Godard-Filme aus dessen maoistischer Phase. Im Zentrum des aus dem Off zu vernehmenden Texts steht die „Herausbildung einer neuen Partei“, die durch Absage an die „abjekte“ Liebe und durch Orgien zur Störung der Verbindung Affekt-Begriff eine neue Gemeinschaftlichkeit mit sich bringen sollen. Der aktuelle Kontext des Films ist durch den G8-Gipfel in Genua 2001 und die damit einhergehenden Unruhen und durch die Anschläge in den USA wenige Wochen später präzise bestimmt. Dem Bild von den brennenden Türmen des World Trade Centers ordnen die anonymen Macher des Films den kaum missverständlichen Begriff "l’action veritable" zu.

Neben dieser kaum mehr klammheimlichen Befriedigung gibt es aber, entsprechend der situationistischen Vorbilder, die hier ebenfalls beschworen werden, auch Verzweigungen in schwer verständliche, esoterisch wirkende Bezugsfelder. So zum Beispiel wird die Parteibildung am Modell der frühchristlichen Eremiten und an den mittelalterlichen Klöstern der Beguinen gemessen. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle würde sich auch sehr wundern, wüsste er, dass er in den Linksradikalen, die dem Umfeld der Tiqqun-Gruppe zugeordnet werden, argumentative Verwandtschaft hat: Die „spätrömische Dekadenz“ des alten Imperiums bildet nämlich den Hintergrund, vor dem sich die genannten Bewegungen entwickelt haben, auf die sich nun der „offensive Rückzug“ und die „andere Erziehung der Gefühle“ beziehen, denen der Film das Wort redet.

In den USA ist "Der kommende Aufstand" übrigens bei der hochseriösen MIT Press erschienen, dort hat sich eine Debatte darüber auch viel früher entwickelt, und sie kam von ganz rechts: Der in diesem Blog schon gelegentlich unter Beobachtung gestellte Glenn Beck hat das Buch ("from France, of all places") zum Gegenstand einer seiner verschwörungstheoretischen Tiraden gemacht: "Die extreme Linke auf diesem Planeten ruft aktiv zur Gewalt auf."

Der Film "Et la guerre est à paine commencée" ist den "verlorenen Kindern" gewidmet, und wenn man diesen etwas pathetischen Ausdruck im Gedächtnis behält, dann wird man auch das Manifest Der kommende Aufstand ein wenig anders lesen – als Programm einer neuen Jugendbewegung, die sich mit politischen Orgien aus mönchischem Geist viel vorgenommen hat, derentwegen man aber keine Terrorwarnung aussprechen wird müssen.