Wien - Im EU-Raum bereitet man sich auf Anträge zur Freisetzung gentechnisch veränderter Tiere - speziell Insekten - vor. Das Umweltbundesamt (UBA) hat federführend eine Risikoanalyse über wissenschaftlichen Stand und mögliche Risiken durch solche Organismen im Auftrag der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ausgearbeitet. Die Studie mit dem Titel "Defining Environmental Risk Assessment Criteria for Genetically Modified Insects to be Placed on the EU Market" wurde in Kooperation mit der Universität Bern und der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) durchgeführt.

Wie UBA-Experte Andreas Heissenberger, Mitautor der Studie, erklärte, liegen nach den bisher bekannt gegebenen Ergebnissen von Labor- und Glashausversuchen mit gentechnisch veränderten Insekten keine Hinweise auf unmittelbare Gefahren für Mensch oder Umwelt durch solche Organismen vor. Man sei aber auch noch weit davon entfernt, Entwarnung geben zu können, betonte Heissenberger.

Im Gegensatz etwa zu Pflanzen und Mikroorganismen sei der Erkenntnisstand über Nutzen und Gefahren der genetischen Manipulation von Tieren vergleichsweise gering. Dazu kommt, dass etwa Firmen die Ergebnisse von Vorversuchen im Labor oder in geschlossenen Einheiten erst mit der Antragstellung zur Freisetzung bekanntgeben müssen.

Wozu sie überhaupt nutze sind

Derzeit konzentrieren sich die Anstrengungen von Forschungseinrichtungen und Firmen in Sachen Gentechnik und Insekten weltweit vor allem auf die Schädlingsbekämpfung und die Bekämpfung von Krankheitsübertragenden Organismen - allerdings steckt diese Forschung vorerst noch in den Kinderschuhen. Wie die Wissenschafter des UBA ausführen, ist die Sache bezüglich der Stechmückenkontrolle am weitesten fortgeschritten. So laufen auf den Cayman-Inseln in der Karibik bereits Freisetzungsversuche zur Reduktion von Mücken (Aedes aegypti), welche die Viruserkrankung Dengue-Fieber übertragen.

Den Männchen der Stechmücken wird ein zusätzliches Gen eingepflanzt. Über dieses Gen wird ein Eiweißstoff produziert, der in Folge die von diesen Männchen gezeugten Larven absterben lässt. Im Labor hat die Sache funktioniert, sofern genügend manipulierte Tiere den nicht veränderten Männchen gegenüberstehen.

Ähnliche Versuche laufen in den USA auch für die Reduktion von Landwirtschaftsschädlingen, etwa dem Roten Baumwollkapselwurm (Pectinophora gossypiella), der - wie der Name schon sagt - Baumwollsträucher schädigt. Um die gefräßigen Raupen zu dezimieren, wird ebenfalls unter anderem auf Sterilisierung gesetzt. Mittels herkömmlicher Pestizide ist den Tieren kaum beizukommen.

Ungezielte Einwirkung durch Bestrahlung

Quasi Vorgänger der genetischen Manipulation war und ist die Sterilisierung von Stechmückenmännchen durch radioaktive Strahlung. Auch dabei wird in das Erbgut eingegriffen, allerdings mehr oder weniger ungerichtet. Die Tiere werden zwar ebenfalls steril, der Nachwuchs bleibt aus, allerdings wird dabei auch die Fitness der männlichen Mücken herabgesetzt. Sie haben meist eine kürzere Lebensdauer als unbehandelte Mückenmännchen aus der Natur. Das erhöht den Aufwand für die Bekämpfung, da die sterilisierten Männchen stets in Konkurrenz mit den Artgenossen stehen. Nur wenn die befruchtungsunfähigen Tiere einen gewissen Prozentsatz erreichen, lässt sich die Population merkbar reduzieren.

Durch den Ersatz der Bestrahlung durch modernere gentechnische Manipulation, wollen die Wissenschafter dieses Manko ausschalten. Das eingepflanzte Gen sollte im Idealfall eine bestimmte Funktion haben - etwa einen entwicklungshemmenden Stoff für die Larven zu produzieren - ansonsten aber keine Beeinträchtigung der Mücken darstellen.

Vielleicht "innerhalb der kommenden zehn Jahre"

Die Experten betonten in ihrem Bericht, dass die Zulassungskriterien für Pflanzen und Mikroorganismen prinzipiell auch für Insekten und andere Tiere gelten sollten. Allerdings seien auch zusätzliche Auflagen nötig, betonte Heissenberger. So müsse vor allem die hohe Mobilität von Insekten berücksichtigt werden. Auch müsste abgeklärt werden, wie der direkte Kontakt gentechnisch veränderter Tiere mit dem Menschen funktioniert, etwa wenn manipulierte Stechmückenweibchen Blut zapfen.

Auf Basis der Analyse sollen nun EU-Regelungen, wie sie auch schon für die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Mikroorganismen existieren, erarbeitet werden. Sogenannte Leitliniendokumente beinhalten etwa jene Auflagen, welche für Anträge für Freisetzungen zu erfüllen sind. Wann die ersten Anträge in Europa gestellt werden, ist laut Heissenberger noch nicht absehbar. In ihrer Studie meinen die Autoren, dass es "innerhalb der kommenden zehn Jahre" soweit sein könnte.

Der UBA-Forscher geht aber davon aus, dass die Sache nicht so heiß gegessen wie gekocht wird. "Etwa für gentechnisch veränderte Pflanzen gingen manche Experten noch vor zehn Jahren davon aus, dass der Markt auch in Europa rasch überschwemmt wird. Tatsächlich beschränkt sich die Sache bis heute auf Mais", so Heissenberger. (APA/red)