Ein Engel (Christoph Wieschke) fällt unter die Schausteller - und möchte prompt ein Mensch sein.

Foto: Salzburger Landestheater/Christian Schneider

Salzburg - Court Watsons Bühnenhandschrift in der deutschsprachigen Erstaufführung von Himmel über Berlin überzeugte durch Facettenreichtum: Stadtlandschaft mit Kiosk, Brücke und Marktplatz, eine Zirkustruppe, echter Wohnwagen und echter Trabi, Nachrichtenstudio und Demo-Szene. Der Inszenierung von Intendant Philip von Maldeghem und seinem Team sah man bei dieser Bühnenadaption des Filmklassikers von 1987 zweifellos das Bemühen um die Umsetzung origineller Ideen an.

Lag das Drehbuch damals ausschließlich in den Händen von Wim Wenders und Peter Handke, kam diesmal Unterstützung aus der Salzburger Bevölkerung. Nach Aufruf des Landestheaters flatterten rund 150 Beiträge ins Haus, von denen rund ein Drittel in die Inszenierung einfloss. Die Salzburger schrieben auf diese Weise selbst Theatergeschichte; Kinder fanden Verwendung als Laiendarsteller. Der Himmel über Salzburg (in Buchform mit allen Texten erschienen) war voll mit Alltagsbeobachtungen im Bus, an der Ampel, auf Plätzen oder im Supermarkt. Es entstand eine poetische Collage mit Hochgeschwindigkeitsumbauten und rasanten Szenenwechseln, bei der die Ensemblemitglieder in 200 verschiedene Figuren schlüpften.

Die Geschichte der Engel Damiel und Cassiel, die im Clinch mit Gott liegen und der sie deshalb auf die Erde verbannt, wo sie beobachten, aber nicht eingreifen dürfen, ist eine Hommage an den Mut zum Leben. Damiel (etwas manieriert: Christoph Wieschke) verliebt sich in die Zirkusartistin Marion (überzeugende Einlagen: Shantia Ullmann) und verzichtet nach langem Zögern auf seine Unsterblichkeit. Er will Teil der Welt hinter der Welt sein: das Haar seiner Geliebten berühren, eine Leberkäsesemmel verdrücken, den Angstschweiß spüren und barfuß laufen. Er will Mensch sein.

Chris Lohner als Peter Falk

Neben dem alten Homer (Werner Friedl mit routiniertem Humor und kritischen Seitenhieben auf Kirche und Integrationspolitik) als Dialogpartner der beiden Engel spielte sich die erfrischende Chris Lohner als Nachrichtenmoderatorin vorwiegend selbst (wie im Film Peter Falk). In der Rolle als ehemaliger Engel war sie aber auch so etwas wie der Verbindungsagent zu den Menschen.

Bis zur Pause nach etwa einer Stunde war das durchaus berührende Stück auch abwechslungsreich. Was danach kam, war hauptsächlich Wiederholung. Man hatte das Gefühl, dem Stück unmittelbar zweimal hintereinander beizuwohnen. Es gab zu viel des Guten an Zirkusakrobatik, sich zu oft wiederholende Szenen im Bus, am Kiosk oder im Nachrichtenstudio. Dem Publikum hat es trotzdem gefallen. (Christian Weingartner, DER STANDARD - Printausgabe, 2. Dezember 2010)