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Die Grazer Hypo verleaste sogar Duschkabinen.

Foto: APA/Roland Weihrauch

Wendung im Strafprozess um die Leasing-Affäre der Hypo-Steiermark. Der Ex-Chef der Gesellschaft plädiert auf strafbefreiende Zurechungsunfähigkeit. Der Grund: Überlastung, Burnout, fehlgeleiteter Realitätsbezug.

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Wien - Die Causa Hypo-Leasing Steiermark hat vor dem Grazer Strafgericht eine bunte Facette dazubekommen. Der mit einem Ex-Prokuristen der Untreue (54 Mio. Euro) bezichtigte Ex-Chef der Leasing-Tochter der steirischen Hypo beruft sich nun auf Zurechnungsunfähigkeit, sein Bezug zur Realität sei "fehlgeleitet" gewesen.

Kurz zur Causa: 2005 flogen Leasingdeals in Kroatien auf. Man hatte Güter finanziert, die gar nicht leasingfähig waren: Türen, Fensterrahmen, Duschkabinen etwa. Der Schaden lag bei 200 Mio. Euro, Eigentümerin Hypo (gehört zu 75 Prozent Raiffeisen) schoss 50 Mio. Euro ein, der Leasing-Chef ging Ende 2005. Die Angeklagten weisen die Vorwürfe zurück, es gilt die Unschuldsvermutung.

Heute, Donnerstag, wird ein Psychiater bei der Verhandlung sein, denn Harald Christandl, der Anwalt des 64-jährigen Ex-Managers, hat am Dienstag einen überraschenden Beweisantrag eingebracht. Er stellt temporäre (2000 bis 2005) Zurechnungsunfähigkeit seines Mandanten in den Raum, beantragt die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens.

Sein Mandant habe sich "ob einer arbeitsbedingten gänzlichen Überforderung in einem geistigen Zustand befunden, welcher seine Diskretions- und/oder Dispositionsfähigkeit" eingeschränkt bzw. ausgeschlossen habe. In dem Fall wäre der Ex-Manager schuldunfähig - und nicht zu bestrafen. Bisher hat er sich laut Anwalt so verantwortet: "Seine Berechnungen seien richtig gewesen, er habe nicht erkannt und erkennen können, dass es "zu den behaupteten Schäden" kommen würde.

Aus dem Beweisantrag ergibt sich: großes Arbeitsleid. Der Angeklagte sei "jahrelang in sechs Gesellschaften in leitender Position" gewesen, habe sich "herausragend" eingesetzt. Zwölf bis 14 Stunden pro Tag habe er gearbeitet, zeitweise gar "bis zu 18 Stunden". Zudem habe er sich "häufig im Ausland aufgehalten" und dort "bis zu zehn Kunden täglich" besuchen müssen. Privatinteressen stellte er "unablässig hintan; so war die Bearbeitung von Aktenstücken auch zu Hause am Wochenende durchaus üblich".

Nächtliches Gedankenkreisen

Das forderte gesundheitlichen Tribut: "Ab 2000 traten ... Schlafstörungen, verbunden mit Gedankenkreisen, erhöhtem Herzdruck und Herzrasen, sowie Schweißausbrüche auf".

Nach dem Tod des engsten Mitarbeiters wurde es noch schlimmer im Job. Der Angeklagte "fühlte sich von seinem Arbeitgeber wie auch insbesondere von sich selbst getrieben". Trotzdem tat er weiter, aber "lediglich, um bei ... seinem Arbeitgeber Gefallen zu bewirken und - nicht zuletzt auch sich selbst - zu beweisen, dass sein Erfolg ... noch steigerbar ist". Parallel dazu steigerten sich die körperlichen Leiden: "Magenschmerzen, Durchfall, depressionsartige Zustände" - und 2005 (da wurden die Verluste offenbar) kam noch "Mobbing" dazu. Kurzum: "Burnout", das im Gefühl des Angeklagten endete, dass er "wie vor einer Mauer stand". Die Schlussfolgerung des Anwalts: Es sei "höchst wahrscheinlich", dass sein Mandant "in einem von ihm nicht mehr zu kontrollierenden Eifer einen fehlgeleiteten Realitätsbezug entwickelt hat!"

Den Einwurf, der Manager hätte halt zum Arzt gehen sollen, nimmt Christandl so vorweg: "Dass er sich bisher keiner ärztlichen Hilfe unterwarf, kann ihm nicht angelastet werden, zumal Bagatellisierung der Symptome und Ablehnung professioneller Hilfe geradezu typisch für das Burnout-Syndrom" seien. DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.12.2010)