Kalbsschwanz zwischen Polentascheiben. Das fängt ja gut an im I Setti Consoli (Orvieto).

I Setti Consoli
www.isetteconsoli.it

Menü beim Off: 40 Euro

Foto: Fidler

Tortelloni mit Broccolipesto müssen kein Fehler sein.

Foto: Fidler

Durchaus göttliches Lamm, gefüllt mit Nüssen, die nicht vom Lamm, sondern von der Hasel.

Foto: Fidler

Gruß aus der Küche im Giglio d'Oro (Orvieto).

Il Giglio d'Oro
www.ilgigliodoro.it
Menü beim Off: 45 Euro

Foto: Fidler

Sformatino, reichhaltig.

Foto: Fidler

Lasagne vom Wildschwein mit Fonduta, auch nicht gerade ein Lightgericht.

Foto: Fidler

Viele, viele Bohnen unter'm Schwein. Und viel, zuviel Balsamico.

Foto: Fidler

Was halten Sie von italienischem Jazz? Ich Universaldilettant wusste bis vor kurzem noch nicht einmal, dass es diese beiden Wörter auch in sinnhafter Kombination gibt. Das hat sich schlagartig geändert. Beim Essen.

Vom Orvieto Food Festival, kurz OFF, hab ich ja schon einmal berichtet. Das versucht, Kultur und Esskultur zusammenzubringen. Und das gelingt selbst bei Gegensätzen wie Fidler und Kultur ganz gut. Wenn nämlich die Festivalorganisatoren überlegen, zu welchen Wirten mit welchen Menüs und welchem kulturellen Begleitprogramm sie zwei österreichische Journalisten schicken könnten. 

Bohnen, Aberglaube und Jazz

Bei uns fanden sie, neben Bohnen und Aberglauben, Jazz ganz passend. Und weil sie (oder der Wirt) uns eine zusätzliche Freude machen wollten, setzten sie mich und meinen Kollegen direkt neben den Stargast Adriano Mazzoletti und seine Frau, vergaßen aber vorausschauend genau an dieser Stelle, für unsere Übersetzerin auch einen Platz vorzusehen. Ein bisschen Italienisch erahne ich ja sogar, und sogar übers Essen hinaus. Ich weiß also, worüber Herr Mazzoletti sprach. Er sprach, jedenfalls für mich, klarer als Diego Torroni, noch so ein Stargast an unserem Tisch.

Sie kennen Adriano Mazzoletti nicht? Ich würde sagen: der Paul Lendvai des Jazz in Italien. Sehr kundig, sehr beredt, nur halt ohne Akzent, jedenfalls für meine Dilettantenohren. Herr Mazzoletti, das weiß ich von seiner Lebensgefährtin, die ihn beim Vortragen fotografiert, ist nicht nur der italienische Kapazunder dieses Musikstils, er hatte auch gut ein Jahrzehnt die beliebteste Morning Show im Radioprogramm der RAI, das war ein Stück zurück im vorigen Jahrhundert. Ja, und Diego Torroni ist ein wichtiger Heger und Pfleger des Jazz in Italien, wenn ich das so frei übersetzen darf. 

Endlich essen

Ich könnte nun, dank Herrn Mazzoletti, einiges über italienische Jazzmusiker in den USA erzählen, die, wie viele Immigranten, ihre Namen anglifizierten und deshalb nicht mehr so leicht der Nudelnation zuzuordnen sind. Darüber, wie die italienischen Faschisten in mehreren Stufen den Jazz untersagten. Oder wie Herr Mazzoletti, gebürtig in Genua, nach Perugia versetzt wurde und dort den ersten Jazzclub gründete und damit das, so sagt mir nicht nur Herr Mazzoletti, weithin bekannte Jazzfestival von Perugia quasi anschob. Aber ich verweise hier nur darauf, dass in Orvieto demnächst (29. Dezember bis 2. Jänner) das auch nicht ganz unbekannte Festival Umbriajazz über die Bühnen geht. Wenn Sie hinfahren, ich hätte da noch ein, zwei Hinweise für die Verpflegung. Womit wir endlich beim Thema wären.

Herr Mazzoletti sprach beim OFF im Ristorante I sette Consoli, und das war das Schönste daran, viel schöner noch als die Potenzierung meines Wissens über italienischen Jazz. Vervielfachung, das ist auch ein gutes Stichwort für den Wirten, ein gewaltiger Werbeträger seiner Küche.

Am Anfang das Ende - vom Kalb

Aus dieser Küche schickt uns Anna Rita Simoncini erst ein Millefoglie aus Polentascheiben und geschmortem Kalbsschwanz. So können auch schon Antipasti ein wunderbares Ende nehmen. Ein bisschen Jazzhistorie alla maniera di Mazzoletti und ein bisschen mehr, aber gerade genug, um die Tortelloni noch warm zu verputzen: innen Rüben und Wurst, außen im Geschmack kräftiges, aber durchaus leichtes Broccolipesto. So habe keinen Einwand gegen gemäßigten Vegetarismus. Und gar nicht fad, da muss ich meinem Kollegen entschieden widersprechen.

Lamm Gottes

Überraschend dann das Lamm: Filet, gefüllt mit getrockneten Paradeisern und, jetzt kommts, Haselnüssen, auf Spinat. Ich fand die Nüsse ja durchaus schlüssig. Und das Lamm geradezu göttlich, würde das nicht in der einstigen Papststadt mit dem für 20.000 Einwohner etwas groß geratenen Dom nicht an Blasphemie grenzen.
Über die warmen Apfelstrüdelchen mit Eis kann ich nichts sagen, ich esse noch immer nichts Süßes. Aber Frau Mazzoletti, also Anna Maria Pivato, fand ihn schon sehr schön. Auch wenn sie einmal eine Sendung für gesunde Ernährung in der RAI moderiert hat.

Handyfoto vom Pizzaofen

Mir haben die Sette Console jedenfalls ein gutes Stück besser geschmeckt als Stunden zuvor das (mit 45 Euro beim OFF teuerste) Menü im Ristorante Il Giglio D'Oro direkt beim Dom. Und das lag nicht am Thema - Aberglauben der Italiener, präsentiert vom Präsidenten des italienischen Buchhändlerverbands, Paolo Pisanti, dessen Frau ihn ebenfalls beim launigen Vortrag ablichtete. Im Gegenteil, der genussfreudige Napolitaner gewann mein Herz mit dem Handyfoto, das er stolz herumzeigte. Andere Menschen zeigen bei solchen Gelegenheiten ihre süßen Kinder oder Kindeskinder, oder meinetwegen ihre angeblich mindestens so süßen Dackel, Perserkatzen, Wüstenspringmäuse oder Kampffische. Herr Pisanti zeigt Fotos seines Pizzaholzofens in seinem bescheiden in Sant'Agata ai due Golfi gelegenen Ferienhauses.

Thementag Auflauf

Zum Thema: Im Giglio d'Oro hat mich vielleicht der Thementag Auflauf gestört mit einer Frittatina mit schwarzem und weißem Trüffel, den ich ganz generell für überschätzt und im Besonderen kaum wahrnehmbar fand. Mit einem Sformatino von Melanzani und einer Velutata di Tartufo Nero, an denen mich eigentlich nur gestört hat, dass sie von einem viel zu dominanten Paprikaschäumchen niedergebrettert wurden. Über die Wildschweinlasagne möchte ich nicht meckern, ebensowenig über die überraschend leichte, säuerliche Fonduta dazu vom örtlichen Caciotta.

Die Schweinsröschen, wenn ich das so übersetzen darf, waren recht gut und kaum trocken, mit dem etwas penetranten Balsamico ging die Küche aber ein paar Gallonen zu großzügig um. Die Zolfini-Bohnen (schon wieder ein Förderkreis?) waren aber sehr okay.

Das Dessert hätte ich auch nicht mehr geschafft, wenn ich Süßes essen würde.

Orvieto Food Festival (OFF)