Bild nicht mehr verfügbar.

Die Autobombe tötete 21 Menschen

Foto: REUTERS/Amr Abdallah Dalsh

Kairo - Ein Selbstmordattentäter hat sich in der Silvesternacht vor einer großen koptischen Kirche in Alexandria in die Luft gesprengt und dabei mindestens 21 Gläubige mit in den Tod gerissen. Mindestens 43 weitere Menschen wurden nach Angaben aus dem ägyptischen Gesundheitsministerium verletzt. Unter ihnen seien auch muslimische Passanten gewesen. Die Bombe entfaltete ihre verheerende Wirkung, als die Kirchgänger aus der Mitternachtsmesse in der St. Markus- und Petri-Kirche im Stadtteil Sidi Beshr strömten.

100 Kilogramm Sprengstoff

Die Terroristen schlugen etwa eine halbe Stunde nach Mitternacht zu, als die Neujahrsmesse der koptischen Christen zu Ende ging. In ersten Berichten hatte es geheißen, der Sprengsatz in einem Auto vor der Kirche sei aus der Entfernung gezündet worden. Am Samstagvormittag teilte das ägyptische Innenministerium in Kairo jedoch mit, dass ein im Fahrzeug sitzender Selbstmordattentäter den Anschlag verübt habe. Die Terroristen hätten etwa 100 Kilogramm Sprengstoff benutzt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen.

Ägypten beschuldigt "ausländische Elemente"

Zu der Tat bekannte sich niemand. Ohne nähere Erläuterung beschuldigte die Behörde "ausländische Elemente" als Drahtzieher und Ausführende der Bluttat. Der Gouverneur von Alexandria, Adel Labib, gab dem Terrornetzwerk Al-Kaida die Schuld an der Tat. Tatsächlich hatte kürzlich eine Gruppe mit Verbindungen zur Al-Kaida im Irak den Christen im ganzen Nahen Osten mit Anschlägen gedroht. Muslime in Ägypten warfen der koptischen Kirche vor, zwei Frauen festzuhalten, die zum Islam übertreten wollten, um ihre Ehen scheiden lassen zu können. Die Kirche erklärte, die Frauen würden nicht gegen ihren Willen festgehalten.

Fast 1.000 Menschen hätten an der Messe teilgenommen, sagte der koptische Priester Mena Adel. Nach dem Gottesdienst seien die Besucher auf die Straße geströmt. "Ich war drinnen und habe eine starke Explosion gehört", sagte der Geistliche. "Menschen standen in Flammen." Augenzeugen berichteten, vor der Kirche seien Leichen gelegen, zahlreiche Menschen seien verletzt worden. "Das letzte, was ich gehört habe, war eine starke Explosion und dann wurden meine Ohren taub", sagte ein 17-jähriger Kirchgänger, Marco Boutros, per Telefon aus dem Krankenhaus. "Ich konnte überall Körperteile sehen".

Gewalttätige Auseinandersetzungen

Am Samstagnachmittag haben sich junge koptische Christen und Sicherheitskräfte gewaltsame Auseinandersetzungen geliefert. Hunderte wütende Demonstranten formierten sich in mehreren kleinen Gruppen und schleuderten Steine sowie Flaschen gegen die um den Anschlagsort postierten Sicherheitskräfte, wie eine AFP-Reporterin berichtete. Die Sicherheitskräfte schossen mit Tränengas und Gummigeschossen zurück. "Feige Terroristen - das Blut der Kopten ist nicht umsonst" riefen die Demonstranten.

Mubarak: Geschlossenheit gegen die "Kräfte des Terrorismus"

Präsident Hosni Mubarak rief alle Ägypter, ob Christen oder Muslime, auf, gegen die "Kräfte des Terrorismus" Geschlossenheit zu demonstrieren. Alle Ägypter sollten sich gegen jene wenden, die die Sicherheit des Landes, seine Stabilität und die Einheit der Bürger bedrohten, erklärte Mubarak laut amtlicher Nachrichtenagentur Mena. Papst Benedikt XVI. forderte die Regierungen weltweit dazu auf, Christen in ihrem Land besser zu schützen.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle zeigte sich bestürzt über den Anschlag und erklärte: "Ich verurteile diesen Akt der Brutalität gegen Menschen, die bei einer Messe friedlich das neue Jahr begehen wollten, auf das Schärfste." Auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich verurteilte die Tat. Sie appellierte an die Regierung in Ägypten, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, das Attentat lückenlos aufzuklären, die Hintermänner dingfest zu machen und aufs Schärfste zu bestrafen. "Ägypten muss ein ähnliches Schicksal wie dem Irak erspart werden." Gleichzeitig müssten aber auch von Seiten der Religionsgemeinschaften und der Zivilgesellschaft aktive Schritte gesetzt werden, um zu zeigen, dass sich Muslime und Christen nicht gegeneinander aufhetzen lassen.

Christen, die meisten von ihnen orthodoxe Kopten, machten etwa zehn Prozent der 80 Millionen Einwohner im überwiegend muslimischen Ägypten aus. Sie klagen immer wieder über Diskriminierung. Gelegentlich kommt es auch zu Anschlägen. So wurden im Jänner 2009 sieben Christen vor einer Kirche in Südägypten aus einem fahrenden Auto heraus erschossen. Die gleiche Kirche in Alexandria geriet bereits 2006 in die Schlagzeilen, nachdem ein Messerstecher Gottesdienstbesucher angegriffen hatte.

Österreichs Kopten-Bischof tief betroffen

Der Bischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Österreich, Anba Gabriel, hat sich am Samstag gegenüber "Kathpress" tief betroffen über den Anschlag in Alexandria gezeigt. Er wies auf die benachteiligte Situation der Kopten in Ägypten hin. Bei dem Vorfall seien grundlos Unschuldige verletzt und getötet worden, sagte der Bischof.

Er kündigte einen Trauergottesdienst für die Opfer im Jänner an; angedacht sei auch eine europaweite Demonstration gegen die Diskriminierung von Kopten bzw. die Gewalt gegen sie an. "In Ägypten werden Kopten verfolgt", betonte Bischof Gabriel. Dies sei auch den Menschen in Österreich noch zu wenig bewusst.

Islamische Glaubensgemeinschaft verurteilt Attentat

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich verurteilt "den mörderischen Anschlag" durch eine Autobombe auf hunderte koptische Kirchgänger in Alexandria in Ägypten, dem bisher 21 Menschen zum Opfer fielen. Entsetzen löse das unermessliche Leid aus, das in blindem Hass und in frevelhafter Missachtung aller Gebote der Religion und der Menschlichkeit Unschuldigen zugefügt wurde, erklärte Präsident Anas Schakfeh am Samstag laut einer Aussendung. "Das tiefe Mitgefühl gilt allen Trauernden, die Angehörige und Freunde verloren haben, sei es auf christlicher oder muslimischer Seite."

"Entsetzen fühlen wir auch, wenn wir uns die Dimension dieses offensichtlich von langer Hand geplanten verheerenden Terrorakts vor Augen führen", betonte Schakfeh weiter. Haben bisherige Spannungen zwischen den ägyptischen Bevölkerungsgruppen eher lokale und meist aus dem Alltag resultierende Streitereien zur Ursache gehabt, so tue sich hier geradezu ein Abgrund auf. Denn beim jüngsten Anschlag deute alles darauf hin, dass jene destruktiven und menschenverachtenden Kräfte, die den Mittleren Osten in Chaos und Anarchie stürzen wollen, am Werk gewesen seien. (red/APA/dpa/dapd/AFP)