"Viele lesen die Texte, die bei ihnen eingereicht werden überhaupt nie - nicht einmal oberflächlich", sagt Plagiatsjäger Stefan Weber.

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"Mittlerweile korrigiere ich schon jede Arbeit mit einem Generalverdacht", erklärt Andrea Regner*, Lektorin an der Uni Wien, gegenüber derStandard.at. Während Diplomarbeiten und Dissertationen etwa an der Uni Wien standardmäßig mit einer speziellen Software geprüft werden, die Plagiate auffinden soll, muss Regner bei der Kontrolle von Seminar- und Bachelorarbeiten in der Regel ohne diese Software auskommen.

Gefühl fürs Plagiat

"Im Laufe des häufigen Beurteilens kriegt man aber ein Gefühl dafür, wenn Arbeiten plagiiert werden", sagt Regner. Wenn Plagiate besonders schlecht gemacht wurden, seien in den elektronischen Versionen etwa oft die Links noch erkennbar. Stilbrüche oder zweifelhafte Quellenangaben seien ein weiterer Hinweis auf ein Plagiat. Aber: "Studenten betreiben das zunehmend professioneller. Das heißt, es bedarf oft schon detektivischer Arbeit um Plagiate zu entdecken", sagt Regner. So würde etwa eine einfache Suchmaschinenrecherche oft den wahren Autor eines Artikels zu Tage befördern. "Kürzlich hatte ich eine Arbeit in der auf eineinhalb Seiten der Forschungsstand exzellent formuliert auf den Punkt gebracht war. Diese Passage war einer Diplomarbeit entnommen, die im Volltext auf der Website der Nationalbibliothek abrufbar ist".

Auch Kollegen klauen

Etwa in einer von 20 studentischen Arbeiten entdecke sie mittlerweile ein Plagiat. Regner kritisiert, dass es im Falle eines Plagiats kaum Konsequenzen gibt: "Bei einem Nicht Genügend kann die Arbeit noch einmal überarbeitet werden. Im schlimmsten Fall werden die Arbeiten nicht beurteilt. Das heißt, die Studenten müssen das ganze Seminar wiederholen". Das Risiko sei also relativ gering.

"Studenten die plagiiert haben, sollten verpflichtend noch einmal ein Einführungsseminar zum wissenschaftlichen Arbeiten machen. Es muss dafür ein Problembewusstsein geschaffen werden", sagt Regner. Der Ideen-Diebstahl höre aber nicht bei den Studierenden auf. Kürzlich hätte ein Kollege bei einer Tagung ein Paper eingereicht, das vor Plagiaten nur so gestrotzt hat. Der Wissenschafter wurde schließlich von der Tagung ausgeschlossen.

Software fehleranfällig

Gunter Wielage vertreibt im deutschsprachigen Raum eine Software mit der Schulen und Universitäten Plagiate finden sollen. Die Software habe er entwickelt, als er noch Computerbücher geschrieben hat. "Ich musste irgendwie überprüfen, ob die Manuskripte, die mir die Autoren lieferten auch wirklich einzigartig sind". Sein Programm durchsucht das Internet nach bestimmten Wortfolgen und zeigt anschließend die duplizierten Fundstellen an. Dass es nicht lückenlos alle Plagiate finden kann und "nicht in die wissenschaftlich Tiefe geht", räumt er im Gespräch mit derStandard.at ein. Trotzdem würden viele Universitäten und Schulen sein Programm nutzen. "Gerade viele Lehrer berichten uns, dass die Plagiatsfälle stark zurückgehen, wenn die Schüler wissen, dass ihre Arbeiten überprüft werden." Für 150 Euro kann man die Software erstehen und an einem Arbeitsplatz beliebig viele Arbeiten überprüfen.

Dass Plagiatssoftware äußerst fehleranfällig sein kann, hat die deutsche "Plagiatsjägerin" Debora Weber-Wulffs in einem Test herausgefunden. Von 26 getesteten Programmen attestierte die Professorin an der Hochschule für Technik und Wissenschaft Berlin gerade einmal fünf Programmen "teilweise nützlich" zu sein. Neun stellten sich für Hochschulen als "kaum brauchbar" heraus, die restlichen seien "nutzlos". "Dass Studenten und Wissenschaftler abschreiben, ist ein ernstes Problem für die Hochschulen. Mit Software ist es nicht zu lösen", urteilte Weber-Wullf im Spiegel. Vielmehr empfiehlt sie, verdächtige Stellen in die Suchmaschine Google einzugeben und so Plagiate aufzuspühren.

Weber: "Professoren lesen Texte nicht"

Auch Österreichs "Plagiatsjäger" Stefan Weber kann der Software nicht viel abgewinnen."Ich habe die Systeme zuletzt 2007 getestet und fand sie völlig wertlos für meine Belange", sagt er zu derStandard.at. Mit "Google und Riecher" könne man am besten Plagiate aufspüren. "Sowohl die Bereitschaft zu googeln als auch der Riecher" fehle bei vielen Professoren, kritisiert Weber.  "Das liegt auch daran, dass viele die Texte, die bei ihnen eingereicht werden, überhaupt nie lesen - nicht einmal oberflächlich", so Weber. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 31. Jänner 2011)