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In Österreich fehlen Chemie-Lehrer - Chemiker gehen lieber in die Industrie als an Schulen.

Foto: Norbert Millauer/dapd

Wien - "Gravierende Probleme" beim Nachwuchs von Chemie-Lehrern ortet der Präsident der Gesellschaft Österreichischer Chemiker (GÖCH), Herbert Ipser. Im vergangenen Jahrzehnt haben im Schnitt nur rund 25 Personen pro Jahr ein Lehramt für Chemie an einer heimischen Uni abgeschlossen. Dem steht in den kommenden Jahre eine erwartete Pensionierungswelle bei Chemielehrern gegenüber. "Diesen Bedarf kann man mit diesen Absolventenzahlen nicht abdecken, das ist eine wirklich ernste Sorge", so Ipser im Gespräch mit der APA.

Schon jetzt müssten höhersemestrige Studenten über Sonderverträge an Schulen unterrichten. "Das ist nicht Sinn der Sache, aber die Direktoren wissen sich nicht anders zu helfen", erklärte Ipser, der Vorstand des Instituts für Anorganische Chemie und Materialchemie an der Uni Wien ist. Im vergangenen Jahr hat die GÖCH begonnen, in 7. und 8. AHS-Klassen für das Lehramtsstudium Chemie zu werben. "Das Problem ist, dass jemand, der Chemie studiert, schon wirklich ein Herz für den Lehrberuf haben muss. Denn in der Industrie geht es einem momentan besser", betonte Ipser unter Hinweis vor allem auf das schlechte Image der Lehrer.

Eckehard Quin, Vorsitzender der AHS-Lehrergewerkschaft und selbst Chemie-Lehrer, schätzt, dass in den nächsten acht bis zehn Jahren die Hälfte der Chemie-Lehrer in Pension geht. In den meisten Regionen gebe es jetzt schon einen Mangel - vor allem in den großen Bundesländern Wien, Niederösterreich und Oberösterreich. Neben Sonderverträgen helfen sich die Schulen mit Überstunden von regulären Chemie-Lehrern bzw. Inhabern der "Kleinen Chemie": Bio- und Physik-Lehrer durften früher durch das Absolvieren einiger Lehrveranstaltungen in der Unterstufe Chemie unterrichten - diese Möglichkeit gibt es zwar mittlerweile nicht mehr, die Inhaber dieser Berechtigung sind aber nach wie vor im Einsatz.

Diplomstudium beliebter

Anders ist die Situation beim Diplom- bzw. Bachelor-Studium Chemie: Hier gab es im Schnitt der vergangenen Jahre rund 500 Studienanfänger, die Absolventenzahl pendelt zwischen 150 und 200 pro Jahr. Nach Angaben des Fachverbands der chemischen Industrie haben diese Absolventen derzeit gute Berufsaussichten. Laut Ipser zeichnet sich nach der Wirtschaftskrise sogar ein Mangel an Fachkräften ab, nicht nur auf akademischen Niveau, sondern auch bei Absolventen von Fachschulen oder einer Lehre.

Je höher die Ausbildung, desto besser sind auch die Chancen, ist der GÖCH-Chef überzeugt. Die Wirtschaft schätze einen Abschluss wie das Doktorat, bei dem man schon mehrere Jahre selbstständig gearbeitet haben muss. Dagegen ist Ipser skeptisch, was die Beschäftigungsfähigkeit von Bachelor-Absolventen angeht. Seine Erfahrung ist, "dass alle, die irgendwie Interesse an dem Studium haben, auch gleich ein Masterstudium anschließen".

Die Studienanfänger- und Absolventenzahlen zeigen aber auch die hohe Drop-Out-Rate in dem Studium von 50 bis 70 Prozent. Den Grund dafür sieht Ipser in der "völlig falschen Vorstellung, mit denen viele Studenten kommen". Viele hätten von Biochemie gehört, wollen den Geheimnissen der Natur auf die Spur kommen "und merken dann, dass man dafür auch Grundlagen braucht, an denen sie schließlich scheitern".

Ipser räumt ein, dass Schülern das Interesse am Fach oft schon in der Schule vermiest werde: "Daher würde uns ja sehr daran liegen, dass wir viele engagierte Chemielehrer haben." Der GÖCH-Präsident fordert auch mehr Chemie-Unterricht an den Schulen. Derzeit werden an einer AHS nur in der 4., 7. und 8. Klasse je zwei Stunden Chemie pro Woche unterrichtet, da könne man keine Affinität zu dem Fach aufbauen. (APA)