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Die Wikinger waren ausgezeichnete Navigatoren. Möglicherweise nutzten sie polarisiertes Licht, um die Position der Sonne zu bestimmen.

Foto: AP/John McConnico

Der Nordatlantik ist nicht gerade für sein angenehmes Klima bekannt. Graue Wolkenmassen und Nebel sind an der Tagesordnung, die Sicht ist oft miserabel. Und doch gelang es den Wikingern schon vor mehr als 1.000 Jahren, hier sicher zu navigieren - ohne Kompass. Vom Festland bis nach Island, Grönland und sogar Nordamerika segelten die Nordmänner, aber wie hielten sie den Kurs?

1967 veröffentlichte der dänische Archäologe Thorskild Ramskou eine faszinierende Theorie: Seiner Meinung nach nutzten die skandinavischen Seefahrer bei wolkenverhangenem Himmel durchsichtige, doppelbrechende Kristalle, um so anhand des polarisierten Tageslichtes die Position der Sonne ausfindig machen zu können. Geeignete Mineralien wie Cordierit oder Turmalin gibt es in Skandinavien genug. Der Gebrauch eines solchen "Sonnensteins" wird in der Sigurd-Sage erwähnt. Ramskous Hypothese stieß auf breite Zustimmung, getestet wurde sie allerdings nie.

Ein internationales Forscherteam unter Leitung des ungarischen Biophysikers Gábor Horváth hat sich den offenen Fragen angenommen und versucht, empirische Beweise für die Ramskou-Theorie zusammenzutragen. In einer neuen Studie, die gestern in einer Spezialausgabe der Fachzeitschrift Philosophical Transactions of the Royal Society B (Bd. 366, S. 772) zum Thema polarisiertes Licht veröffentlicht wurde, beschreiben die Experten, wie sie die Grundvoraussetzungen für eine polarimetrische Navigation experimentell testeten. Bei Freilandmessungen zeigten sie Stärke und Ausrichtung des polarisierten Lichts unter verschiedenen Wetterbedingungen und Tageszeiten auf.

Die bisherigen Ergebnisse deuten an: Bei tiefhängendem Nebel mit wolkenlosem Himmel darüber oder einer lückenhaften Wolkendecke könnte eine polarimetrische Orientierung gelingen. Unter einem komplett bedeckten Himmel ist die Intensität des polarisierten Lichtes dagegen wohl zu gering, um seine Ausrichtung und damit die Position der Sonne zu bestimmen. Weitere Versuche sollen die praktische Anwendung der Methode prüfen.

Bienen-Navigation

Was den Wikingern vielleicht mit ihren Sonnensteinen gelang, schaffen Honigbienen auch ohne Hilfsmittel. Forscher der australischen University of Queensland konnten erstmalig anhand eines Verhaltensexperiments belegen, dass die fleißigen Insekten die Polarisationsrichtung von Lichtstrahlen tatsächlich zu Orientierungszwecken nutzen können. Vermutet hat man dies schon lange. Gewisse Photorezeptoren in Bienenaugen sind nachweisbar empfindlich für polarisiertes Licht.

Die Wissenschaftler bauten ein Labyrinth mit einem Eingang und drei verschiedenen Ausgängen. An einer davon stand immer ein Töpfchen mit Zuckerlösung. Versuchsaufbau und Ergebnisse sind in der genannten neuen Ausgabe von den „Philosophical Transactions" detailliert beschrieben worden (S. 703). Der Gang mit der leckeren Belohnung am Ende war immer mit polarisiertem Licht beleuchtet, dessen Ausrichtung dem der Beleuchtung im Eingangsbereich entsprach. In den beiden anderen Gängen verlief die Polarisationsrichtung quer dazu. Nach einer Trainingsphase flogen die Bienen meist zielsicher dorthin, wo der süße Trunk dem Licht nach zu erwarten war. Die polarisierten Strahlen zeigten ihnen den Weg. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe, 02.02.2011)