Rudolf Taschner bei einer Kindervorlesung im Wiener Rathaus: Der Mathematik-Volksbildner erzählte kürzlich wieder einmal, wie Denker nach der größten Zahl suchten und sie nicht fanden.

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Der bekannteste Mathematiker Österreichs zeigte sich wieder einmal als Liebhaber des Unendlichen.

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Die Ehrfurcht ist Kindern und Oldies gleichermaßen anzumerken. "Mama, glaubst du, dass ich das alles verstehen werde?" Die ehrliche Antwort: "Ich hoffe auch, dass ich es begreife." Die Rede ist von der ersten Kindervorlesung 2011 am vergangenen Sonntag. Ihr Titel: "Wie groß ist die größte Zahl?"

Das Zoom Kindermuseum im Wiener Museumsquartier ist ausgebucht. Kein Kind wirkt genervt, wie man vielleicht annehmen könnten angesichts des Fachs Mathematik, dem ja der Ruf vorauseilt, Fadesse und sogar Angst zu verbreiten. Man ist neugierig. Der Vortragende hat doch einen gewissen Promifaktor, und die gespannte Erwartung der Eltern wird sich wohl auf die Kinder übertragen haben: Rudolf Taschner, längst eine Art Prediger in Sachen Zählen und Rechnen geworden, traut man schon zu, die Dinge so zu erklären, dass man ohne Müdigkeitsanfall über die Runden kommt. Ihn kennt man als Autor einiger sich bestens verkaufender Sachbücher und als Betreiber des Kulturprojekts Mathspace im Museumsquartier, das die Zusammenhänge zwischen Mathematik und der modernen Gesellschaft darstellt - für Publikum aus allen Altersstufen.

Taschner berichtet, wie die Menschen in Urzeiten zu zählen begannen. Er meint, sie hätten anfangs bis acht gezählt, "weil sie nur die Fingerzwischenräume zu Hilfe nahmen" . Und weiter: "Als sie merkten, dass man damit natürlich nicht weit kommt, suchten sie eine neue Zahl und erfanden daher die Neun." Taschner demonstriert, dass die Zahl fünf mit Fingern gezählt wie ein "V" ausschaut, "weshalb die alten Römer dieses Zeichen dafür verwendeten und für zweimal fünf, also zehn, daher zwei übereinander liegende "V" also "X" schrieben" . So hantelt sich Taschner von einer Geschichte zur nächsten mit logischen Erklärungen, die den Erwachsenen ein bewunderndes "Ah!" entlocken, worauf auch Kinder mit ähnlichen Lauten einstimmen. Niemand fragt sich, ob da nicht manches gut erzählt, aber vielleicht nicht ganz wahr ist - aber das ist in diesem Rahmen auch nicht nötig.

Sandkörner im Universum

"Ah!" und "Oh!" Das Staunen ist am größten, als Taschner bei Archimedes angelangt ist und von dessen besessener Suche nach der größten Zahl berichtet. Der griechische Mathematiker soll sich ausgerechnet haben, wie viele Sandkörner in das Universum passen und auf die Zahl 1064 gekommen sein. Natürlich ist auch das nicht die größte Zahl, denn die gibt es nicht, wie Taschner am Ende verrät. Selbst zu einer anderen Archimedes- Zahl mit 206.545 Stellen, die Zahl der Rinder des Sonnengottes, könne man nämlich immer noch eins dazurechnen. Also steht am Ende die Unendlichkeit, die für Taschner wohl auch nach der x-ten Wiederholung dieses Vortrags ein spannendes Rätsel bleiben wird, Er erzählt: "Das ist wie auf ganz geraden Gleisen stehen und zum Horizont schauen. Irgendwo weit weg, im Unendlichen, scheinen sich die Schienen zu treffen."

Eine Stunde hat der bekannteste Mathematik-Volksbildner gesprochen - und kein Kind machte seinen Unmut deutlich. Das lag vielleicht an den daneben sitzenden Eltern. Vielleicht aber auch daran, dass jeder Taschner verstanden haben dürfte: Und die Botschaft angekommen ist: "Wer zählen und rechnen kann, ist mächtig." Das ist schon ein überzeugendes Argument. Dem können auch Kinder etwas abgewinnen, die Mathematik nicht gerade zu den Lieblingsfächern zählen. Ein Mädchen ortete nach der Vorlesung Weiterbildungsbedarf bei der eigenen Lehrerin. "Der war lustig. Vielleicht sollte sie einmal zu ihm gehen und sich anschauen, wie man das macht." (Peter Illetschko/DER STANDARD, Printausgabe, 02.02.2011)