Zu kleinen rhythmisierten Loops angeordnete "gefundene" Bilder schwulen Selbstinszenierung ergeben den bündigen Kurzfilm "Film Montages (for Peter Roehr)" von 2006.

Foto: W. E. Jones, Courtesy David Kordansky Gallery

Wien - Ein schummriger Raum, Männer kommen und gehen: alte Männer und junge; Weiße und Schwarze; Männer in Arbeitskluft oder im Anzug; Männer mit Hut und dunklen Sonnenbrillen, die ein bisschen aussehen wie Agenten. Männer, die sich sortieren und einander sondieren, um womöglich in der öffentlichen Toilette in einer US-Kleinstadt hinter Kabinenwänden schnellen Sex zu haben.

Von allen Arbeiten des 48-jährigen US-amerikanischen Filmemachers, Künstlers, Autors und Lehrers William E. Jones hat der knapp einstündige Film Tearoom (2007) wahrscheinlich das verstörendste Ausgangsmaterial: Gleich zu Beginn wird der Schauplatz etabliert und in einer knappen instruktiven Sequenz außerdem gezeigt, wie ein Mann mit einer Kamera sich in einem Kämmerchen installiert und hinter einer Tür mit falschem Spiegel verschwindet. Alles weitere ist Belastungsmaterial der Polizei von Mansfield, Ohio, aufgenommen im Juli und August 1962.

Jones' Filme basieren häufig auf sogenannter Found Footage, "gefundenem", bereits belichtetem Filmmaterial. In der Weiterverarbeitung entsteht daraus etwas Neues, ein ästhetischer Mehrwert, den Jones primär aus Montage und Vertonung gewinnt (Tearoom hat er stumm belassen). Zum anderen haben diese Arbeiten eine archivarische Komponente. Historisches und historisch marginalisiertes Material wird sichtbar. Die inkriminierenden Polizeiaufnahmen rücken gleichzeitig eine alltägliche Praxis ins Bild - schwule Kleinstadt-Subkultur, der trotz offensichtlicher Verfolgung eine gewisse Selbstverständlichkeit anzuhaften scheint.

Von der Verführung durch Bilder handelt eine ältere Arbeit: Finished von 1997 ist Fan-Bekenntnis, Nachruf oder auch ein kleiner kulturhistorischer Abriss zur kalifornischen Schwulenpornoproduktion, die buchstäblich im Schatten von, beziehungsweise Rücken an Rücken mit Hollywood agiert.

Das Foto eines Männermodels hat den Filmemacher verführt. Finished begibt sich nach dem Selbstmord des jungen Mannes mit Künstlernamen Alan Lambert auf dessen Spur. Der Film ist ein vielschichtiger dokumentarischer Essay - angeleitet und begleitet vom Off-Kommentar des Autors. Dazu sieht man jedoch keine Ausschnitte aus Lamberts Pornos, sondern etwa eine Abfolge aus Standbildern von deren sprechenden Titeln (Boot Camp, Boot Camp 2, u. a.). Oder Details von Magazinseiten, aus denen sich in neuer Kadrierung andere Bilder - und Reize - ergeben.

Wie in Finished oder Tearoom interessiert Jones auch in v.o. von 2006 nicht das Explizite, sondern das Flüchtige, Beiläufige - die Posen, Gesten und anderen Zeichen, die filmischen Inszenierungen unauffällig-auffälliger Kontaktanbahnung: attraktive junge Männer in zu engen Hosen, die lässig an Straßenecken lehnen und Blicke werfen.

Bis zum 5. Februar sind diese und weitere Filme im Österreichischen Filmmuseum zu sehen. William E. Jones wird im Rahmen von Publikumsgesprächen sowie einer Lecture über seine künstlerische Arbeit sprechen. (Isabella Reicher/DER STANDARD, Printausgabe, 2. 1. 2011)