Auch wenn es die Öffentlichkeit großteils nicht mitbekommen hat: Wir haben den Warschauer Pakt besiegt! Das kann ich bestätigen, denn ich war dabei. Jahrelang saßen wir im Wald (in meinem Fall nahe der Autobahnstation Ybbs-Kemmelbach) und verteidigten unsere Heimat gegen die sogenannten "Satellitentruppen", denn uns überzögen, wie unsere Strategen uns sagten, nicht die Russen selbst, sondern, wohl aus Gründen der geografischen Nähe, Tschechen, Polen, Ungarn und vielleicht auch noch Rumänen mit Krieg. Das Ziel des Warschauer Paktes wäre, der Nato im Falle eines militärischen Konflikts in die "Westflanke" zu fallen, und zwar über Österreich. Wenn die aber geglaubt haben sollten, bei uns so einfach durchmarschieren zu können, so hätten sie sich schwer getäuscht! Da wären nämlich wir gewesen - und wir waren furchterregend, wie jeder bestätigen kann, der dabei war.

Nun, der Feind kam nicht. Dennoch erfüllten wir treu unsere Pflicht. Wir unterhielten uns zwanglos, erfuhren im trauten Gespräch manches aus dem Familien- und Berufsleben unserer Kameraden, was dem sozialen Klima des Landes wirklich gutgetan hat, ja, und ab und zu gelang es uns auch, eine Kiste Bier oder ein paar Flaschen guten Weines zu ergattern, um das Leben im Felde noch erfreulicher zu gestalten.

Dann kam eines Tages Gorbatschow, die Berliner Mauer fiel, Václav Havel wurde in Prag einstimmig gewählt, der rumänische Dracula ziemlich unsanft entsorgt, und wir, militärisch sinnlos geworden, durften auch als Milizsoldaten nach Tschechien, Ungarn, Polen und Rumänien reisen und mit den dort ansässigen ehemaligen "Ostfeinden" plaudern sowie Bier, Wein und Wodka trinken, was wir zum Zwecke der Völkerverständigung und im Sinne des neu entstehenden vereinten Europas auch ausführlich taten. Gott sei Lob und Dank, dass wir nie aufeinander schießen mussten!

Ich habe meine Bundesheerzeit dennoch - oder in der Rückschau vielleicht gerade deswegen - nie bereut und, wie aus diesen Zeilen wohl erhellt, oft auch ziemlich genossen. Sollte ich jetzt nachträglich militärische Geheimnisse verraten habe, hoffe ich, dass mich Minister Darabos pardonieren wird. Aber ich bin ohnehin schon a. D. Oberleutnant der Reserve

Christian Eder
4300 St. Valentin (DER STANDARD, Printausgabe, 2.2.2011)