Wiener Neustadt - Der zehnte Prozesstag in der Libro-Causa wurde am Dienstag mit der - ersten - Zeugenaussage von Wilhelm Rasinger, Vereinsobmann des Interessenverbandes für Anleger (IVA), am Landesgericht Wiener Neustadt nach mehrwöchiger Pause fortgesetzt. Das von der KPMG erstellte Unternehmensgutachten zur deutschen Libro-Tochter hält Rasinger für "unplausibel", auch wenn er die handelnden Personen schätze. Kleinanleger würden Börseprospekte nicht lesen. Kritik äußerte er am damaligen Libro-Partner Telekom Austria, die "leichtsinnig" gehandelt habe.

Der IVA hatte sich dem Strafprozess mit einer Summe von 1 Mio. Euro als Privatbeteiligter angeschlossen und eine Anzeige eingebracht. Rasinger hielt bereits beim Börsegang die Libro-Aktie für unattraktiv. Börseprospekte würden von Kleinanlegern nicht gelesen und auch nicht verstanden. Man mache dies nur, wenn man Schlafstörungen habe - ähnlich wie bei Urteilen, so Rasinger, der sich dann gleich bei der Richterin für seine Äußerung entschuldigte.

Persönlich habe er den Börsegang des - "sicher gut geführten" - Einzelhandelsunternehmens mit großer Skepsis gesehen, verwies er auf das Sprichwort "Schuster bleib bei deinem Leisten": Bei Libro war alles "zu rasch, zu groß". Der Buch- und Papierhändler sei mit minimalem Eigenkapital an die Börse gegangen; den Anlegern wurde in erster Linie eine Zukunftsperspektive "verkauft". Damals habe angesichts neuer Technologien eine euphorische Stimmung am Kapitalmarkt geherrscht nach dem Motto "alles ist möglich". Aber Libro war ein Detaillist, "und auf einmal ist das die Super-Super-Aktie", wollte der Zeuge nicht an Wunder glauben.

Scharfe Kritik an KPMG-Gutachten

Scharf kritisierte Rasinger das von KPMG, einer der großen vier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, erstellte Unternehmensgutachten für Libro Deutschland. Nur die Zahlen des Vorstandes "unkritisch" zu übernehmen sei "dürftig". In dieser Bewertung wurde prognostiziert, dass Libro Deutschland erst nach fünf Jahren einen positiven Ertrag - allein unter der Annahme einer sogenannten "ewigen Rente" - erwirtschafte, schilderte Rasinger. "Wir alle sind keine Hellseher", fügte er hinzu unter Hinweis, dass es sich dabei um "Fantasiezahlen" handle.

Aufgrund einer Millionenaufwertung der deutschen Tochter hatte Libro 1999 vor dem Börsegang 440 Mio. Schilling an seine Aktionäre ausgeschüttet. Aufgewertet wurde Libro Deutschland laut bisherigen Aussagen der Angeklagten auf Grundlage eines KPMG-Gutachtens. Laut Richterin Birgit Borns wird sich Friedrich Lang, der neben dem nunmehrigen Kärntner Hypo-Chef Gottwald Kranebitter mitgearbeitet hat, als Zeuge entschlagen. Die Aussagen Kranebittes werden für morgen, Mittwoch, erwartet.

Zur Sonderdividende meinte Rasinger, diese hätte nie stattfinden dürfen, weil ein Unternehmen nur die tatsächlich erwirtschafteten, cashmäßig eingeflossenen Erträge ausschütten dürfe, sonst würde es geschwächt. Wenn man aus einem Börsegang den Großteil des Geldes zur Schuldentilgung aus der Vergangenheit brauche, sei ein Projekt nicht wirklich interessant. Beim Jahresabschluss 1999/2000 hätten "unangenehme Dinge" verarbeitet werden müssen, und dann kam es zur für Rasinger problematischen Ausschüttung von 440 Mio. Schilling: Libro Deutschland, das bis dahin nur dürftige Ergebnisse erwirtschaftet hätte, wurde aufgewertet und sollte dann aufgrund von Zukunftsplanungen "explodieren"? Seine Skepsis habe sich insofern bestätigt, als Libro Deutschland kurz darauf abgeschrieben werden musste.

Problematische Vorgangsweise des Ex-TA-Vorstands

Mit welcher Leichtsinnigkeit die Telekom Austria bei Libro eingestiegen sei, empört Rasinger noch heute. Er halte die Vorgangsweise des damaligen Vorstands für "sehr, sehr problematisch". Man könne durchaus unternehmerische Fantasie haben, gemeinsam was zu machen, so Rasinger. Aber die Telekom habe einen Zuschlag auf den Emissionspreis gezahlt - je mehr sie zahlte, "desto besser stiegen die Altaktionäre aus", dies erinnere Rasinger "mit gebotener Vorsicht" an ein "klassisches Pyramidenspiel". Er kritisierte die gesamte Konstruktion: zuerst die Sonderdividende, dann über Telekom die weitere Ausschüttung - "einige wenige haben ein Supergeschäft gemacht." Für ihn als "kleinen Mann" sei auch unverständlich gewesen, dass dabei auch die Investmentbank Goldman Sachs "voll honoriert" wurde, obwohl sie abgesprungen sei: "Da ging es ja nicht um Peanuts".

Die große Gefahr bei Libro war, dass ein sehr guter Markenname mit dem jeder etwas verbinden konnte an die Börse gebracht werden sollte. Zusätzlich wurde ein hoher Werbeaufwand sowie eine permanente Berichterstattung getrieben - ähnlich wie bei Meinl, so Rasinger. Er war als Außenstehender auf die der Öffentlichkeit zugänglichen Informationen angewiesen.

Seine Skepsis hinsichtlich des Börsegangs sei seinem Umfeld bekannt gewesen. Öffentliche Kritik habe er aber nicht geäußert, so Rasinger. Es sei nicht seine Aufgabe, Empfehlungen abzugeben - zudem bestehe da auch die Gefahr, sich dem Vorwurf geschäftsschädigender Äußerungen auszusetzen.

Skepsis vor Börsengang

Mit den im Prozess um die Libro-Pleite angeklagten früheren Managern bzw. dem Wirtschaftsprüfer hat Wilhelm Rasinger, Chef des Interessenverbands für Anleger (IVA) und am heutigen zehnten Verhandlungstag erster Zeuge in dem umfangreichen Verfahren, keinerlei negativen Erfahrungen gemacht. Er kenne und schätze die Herren. "Es tut mir leid, dass wir uns heute da treffen", meinte der Zeuge in die Runde der Angeklagten blickend. (APA)