Passivhaus statt Seventies. Die Siedlung Fussenau in Dornbirn zeigt, dass Ökologie im sozialen Wohnbau möglich ist.

Foto: Vogewosi

Aus einer 40 Jahre alten gemeinnützigen Siedlung in Dornbirn wurden Passivhäuser. Alle Mieter machten mit - und widerlegten das Vorurteil, Migranten hätten keinen Sinn für Ökologie.

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Sie schauen aus wie neu, die kleinen Wohnblöcke am Rand der Dornbirner Aulandschaft: großzügige Wintergärten über die ganze Vorderfront, harmonische Erdfarben an den Schmalseiten. Dazwischen viel Grün. Seit die 1970er-Jahre-Siedlung Fussenau nach höchsten ökologischen Ansprüchen saniert wurde, sind die fünf mehrgeschoßigen Doppelhäuser beliebtes Ziel von Exkursionen. Bereitwillig öffnen die Mieter Besuchern ihre Türen: Stolz sei sie, sagt Frau Bilek, "weil wir jetzt ganz neue Häuser haben". Die drei Töchter nicken zustimmend, dann fällt ihnen schnell ein Einwand ein: "Aber den Spielplatz könnten sie auch neu machen."

Die Siedlung ist für Hans-Peter Lorenz, Geschäftsführer der Vogewosi, Vorarlbergs größtem gemeinnützigen Wohnbauträger, ein Vorzeigeprojekt für thermische Althaussanierung und Integration gleichermaßen. Denn eine Renovierung am Bestand funktioniere nur, wenn alle Mieter mitziehen. "Und hier haben alle mitgemacht, auch die zehn Mieter mit türkischem oder serbokroatischem Hintergrund", widerspricht Lorenz dem häufigen Vorurteil, Migranten hätten keinen Sinn für Ökologie. Die elfmonatige Sanierung habe trotz massiver Einschnitte in den gewohnten Alltag reibungslos funktioniert.

Durch den Einbau der Komfortlüftung, den Fenstertausch, die Entfernung der Balkone, den Bau der Wintergärten war jede Partei betroffen. Für Sanierungsarbeiten in diesem Ausmaß ist die Zustimmung aller Mieter notwendig. Man habe gerne zugestimmt, sagt Zekeriya Bilek, "weil alles schöner wird und wir die Wintergärten wollten".

Ein wesentlicher Grund für die 100-Prozent-Zustimmung war die langfristige Vorbereitung, ist Bauleiter Werner Egele überzeugt: "Wir haben zwei Jahre vor Baubeginn mit der Information begonnen und die Leute zu mehreren Präsentationen eingeladen, bei denen Architekt Helmut Kuëss das Projekt genau erklärt hat." Wer nicht gut Deutsch konnte, habe sich beim Nachbarn erkundigt.

Die Bauleitung revanchierte sich bei den 150 Bewohnern mit penibler Einhaltung aller Termine und Rücksichtnahme. Egele: "Türkische Familien sind sehr auf Sauberkeit bedacht. Unsere Leute wurden angehalten, nicht mit Dreckschuhen in die Wohnungen zu gehen."

Die Bauarbeiten hätten die Leute zusammengebracht, sagt Frau Bilek. "In der Zeit, wo sie die Balkone weggerissen haben, hat man sich draußen auf der Wiese getroffen. Man hat miteinander geredet, Kaffee getrunken." Das sei nun wieder vorbei, bedauert sie, "jetzt sitzt jede Familie in ihrem Wintergarten".

An das Wohnen im Passivhaus müssen sich manche erst gewöhnen. Der Komfortlüftung traut man nicht immer ganz. Ob die Menschen einen österreichischen oder türkischen Namen hätten, mache da keinen Unterschied, sagt Werner Egele. "Manchen fehlt noch das Verständnis für ein Passivhaus, da muss man Geduld haben und informieren."

Über einen Nachteil der Sanierung sind sich die Migrantenfamilien einig: Die Satellitenschüsseln wurden entfernt. "Ich würde schon gerne wissen, was unten los ist, weil meine Eltern unten leben", erklärt Frau Bilek den Wunsch nach ihrem türkischen Regionalsender, dessen Empfang über Kabel nicht möglich ist. In der Geschäftsleitung denkt man nach. Lorenz: "Gemeinschaftsanlagen wären eine Lösungsmöglichkeit. Aber wir sind da noch in Diskussionen."

Die Vogewosi verfügt über 13.100 Wohnungen. In Neubauten betrage der Migrantenanteil laut Lorenz 30 bis 40 Prozent, im Altbau 10 bis 15 Prozent, Tendenz steigend. Migrant ist übrigens für die Statistik der Wohnbaugesellschaften und Wohnungsämter jeder, der einen ausländisch klingenden Namen hat. Vorarlbergs Ausländeranteil ist mit 13 Prozent am zweithöchsten nach Wien. (Jutta Berger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.3.2011)