Wenn in Österreich über Integration gesprochen wird, dann geht es meist um Deutschkenntnisse von und Deutschkurse für Ausländer. Dies greife viel zu kurz, glaubt Anton Pelinka, Doyen der österreichischen Politikwissenschaften, der derzeit an der Central European University in Budapest unterrichtet. Denn: "Integration ist keine Einbahnstraße, ist weder Assimilation noch Anpassung, sondern ein Prozess der kulturellen Konvergenz." Schließlich gebe es keine einheitliche österreichische Leitkultur, die Zuwanderer übernehmen könnten, sagt Pelinka. "An welche Teile der Bevölkerung sollen sie sich denn anpassen? Sollen sie bei der Fronleichnamsprozession mitmarschieren oder am 1. Mai, steirische Tracht tragen oder zu den Tiroler Schützen gehen, es in Wien den Bobos gleichtun oder den Nachfahren der Urproletarier in Favoriten und Floridsdorf?"

Zumindest in der Küche und der Musik würden Zuwanderer die heimische Kultur verändern ebenso wie sich selbst, meint Pelinka. Politisch aber könne Integration vor allem durch die Aussicht auf eine Verleihung der Staatsbürgerschaft gefördert werden, die ihnen volle politische Rechte gibt. "Ein Status von Heloten für Zuwanderer ist nicht akzeptabel."

Gemeindebau als Problemzone

Ebenso wichtig sei die Öffnung aller Wohnanlagen für "alle, die hier Steuern zahlen, unbeschadet der Staatsbürgerschaft und des ethnischen Hintergrunds", bezieht Pelinka in der laufenden Debatte zwischen den Wiener Koalitionspartnern Stellung. Derzeit müssen Nicht-EU-Bürger fünf Jahre hier wohnen, um Zugang zu Gemeindewohnungen zu erhalten, was die Grünen ändern möchten.

Doch gerade der Gemeindebau ist die Problemzone der Integration, weil dort auch wirtschaftliche, soziologische und psychologische Faktoren zusammenspielen. Integrationsexperte Kenan Güngör verweist auf das Zusammentreffen einer "Mittelschicht, die mit ökonomischen Abstiegsängsten kämpft, und Migranten der gleichen Schicht, die um Etablierung kämpfen und den sozialen Wohnungsbau eher als Aufstieg sehen. Für die anderen wird es zum Zeichen, dass sie nicht mehr Herr im eigenen Haus sind."

Als Folge werde oft die Vergangenheit idealisiert, meint die Psychoanalytikerin Adelheid Wimmer, Beraterin der Wohnen Plus Akademie, und Zuwanderer würden für alle Probleme verantwortlich gemacht. Sie ortet auch bei Migranten massive Ängste gegenüber einer neuen Umgebung. Wimmer: "Sie ziehen sich dann zur eigenen Gruppe zurück und klammern sich an die Kultur des Herkunftslandes." Dies stelle Hausverwaltungen vor große Herausforderungen, denn "mit rationalen Argumenten ist kein Gefühl zum Verschwinden zu bringen".

Refunktionalisierung

Für Güngör ist der beste Ausweg eine Wiederbelebung des alten Nachbarschaftsgefühls, das durch die "Entfunktionalisierung der Nachbarschaft" verlorengegangen sei. Die Folge? "Es gibt keinen Grund, mit seinem Nachbarn zu sprechen, es sei denn, es eskaliert." Gefragt seien daher Modelle der Refunktionalisierung der Nachbarschaft, durch ein bewusstes soziales Management durch die Hausverwaltungen und die Destigmatisierung multiethnischer Wohnanlagen. Wenn das gelinge, würde auch der Wert der Immobilien steigen, ist Güngör überzeugt und sieht in diesem Fall einen "sozialen und ökonomischem Gewinn für alle". (ef, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.3.2011)