Wien/Oxford - Démos, das Volk. Kratía, die Macht. Also die Herrschaft, die vom Volk ausgeht.

Welche Bedeutung insbesondere den elektronischen Medien für Demokratisierungsprozesse zukommt, zeigte die Entscheidung des ägyptischen Regimes, das Internet am 27. Jänner im gesamten Land lahmzulegen. Ein letzter Versuch, den Volksaufstand gegen Langzeitherrscher Hosni Mubarak im Keim zu ersticken.

"Da war es bereits zu spät, die kritische Masse war schon erreicht", erklärt Helen Margetts vom Oxford Internet Institute. Etwa fünf Millionen Ägypter sind Facebook-User. Die Proteste wurden zu einem wesentlichen Teil über das Netzwerk initiiert und organisiert, die Zensur der staatlichen Medien damit ausgetrickst.

Ohne ausländische Berichterstattung, ohne Informationen aus Online-Medien oder dem Nachrichtendienst Twitter wäre das Land in den 18 Tagen der Proteste, die zum Rücktritt Mubaraks geführt haben, komplett isoliert gewesen. Umgekehrt hätte die Weltöffentlichkeit vermutlich erst spät von der Brutalität des Regimes gegen Demonstranten erfahren.

Gleiches gilt für die rasanten Entwicklungen im gesamten arabischen Raum. Dank tausender minütlicher Meldungen von Privatpersonen zur Missachtung der Menschenrechte hat der Westen eine Ahnung von dem, was in den Ländern derzeit vor sich geht.

Den Begriff "Facebook-Revolution", wie er dieser Tage oft mit Ägypten in Verbindung gebracht wird, würde Margetts jedoch nicht verwenden. "Menschen haben ihr Leben für den Wandel gelassen." Die neuen Medien hätten die Massen aber auf jeden Fall mobilisiert. "Jeder konnte sehen: Ich bin nicht allein", so die Professorin.

Dass ein ägyptisches Paar seine Tochter gleich mit dem Namen "Facebook" bedacht hat, könne sie hingegen verstehen. "Die Menschen hatten kein Vertrauen in die internationale Gemeinschaft, es gab keine unabhängigen Medien, alles war sehr unsicher. Facebook hat das Signal zum gemeinsamen Widerstand verbreitet."

Nicht nur Despoten fürchten die neuen Medien: Die Plattform Wikileaks, die geheime Dokumente von Staaten und Unternehmen ins Netz stellt, verändere auch Unternehmensstrukturen, meint Margetts: "Der Effekt ist, dass Organisationen zum einen mehr Transparenz herstellen, um Skandalen vorzugreifen. Andererseits rüsten sie technisch nach, um sich vor ungewollten Veröffentlichungen zu schützen." Wikileaks selbst sei zwar keine demokratische Institution, aber "vieles, was Wikileaks zutage gefördert hat, ist ebenso wenig demokratisch legitimiert", meint die Politologin. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, Printausgabe, 2.3.2011)