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Die Guy-Fawkes-Masken aus "V for Vendetta" (hier ein Filmstill) sind auch zum Symbol für Netzaktivisten geworden. Anonymität ist im virtuellen Raum aber immer schwerer zu bewahren, soziale Netzwerke wie Facebook leben von persönlichen Daten.

Foto: REUTERS/Mario Anzuoni

Sie ist Teil eines EU-Projekts, das auslotet, wie sich neue Technologien auf Datenschutz und seine Wahrnehmung auswirken.

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Facebook sollte zugleich hochgelobt und verdammt werden, meinen Netzaktivisten der Plattform accessnow.org. Einerseits hat das größte Social Network dazu beigetragen, die Massen in den arabischen Autokratien zu mobilisieren, andererseits sei es "eine Schatzkiste für Diktatoren" . Mit einer Petition fordern User seit vergangener Woche Facebook dazu auf, Demonstranten die Wahrung ihrer Anonymität zu erlauben und ihre Richtlinien zu überdenken, um Regimegegner vor politischer Verfolgung zu schützen - eine Reaktion ist derzeit nicht bekannt.

Wie sich neue Medien und Technologien künftig besser mit Privatsphäre und Datenschutz vertragen könnten, wird im EU-Projekt ) ausgelotet. Vergangene Woche trafen sich Vertreter der Projektpartner aus sechs Ländern - darunter Österreich mit dem Interdisciplinary Centre for Comparative Research in the Social Sciences - zu einer Zwischenbilanz in Wien.

Ein Teil des Projekts ist es, herauszufinden, wie junge Menschen das althergebrachte Konzept von Privatsphäre überhaupt wahrnehmen. Erste Ergebnisse aus einer Practis-Schulumfrage brachten ein zwiespältiges Bild zutage: "Einerseits ist Datenschutz ein wichtiges Thema für Jugendliche, andererseits geben sie persönliche Daten sorglos weiter" , berichtete Nicolas Bach vom Forschungsinstitut Nexus, einem Spin-off der TU Berlin. Mehr als 1100 Schüler und Schülerinnen aus Österreich, Deutschland, Polen, Finnland und Israel, hauptsächlich im Alter zwischen 16 und 18 Jahren, nahmen an der Umfrage teil. Immerhin 40 Prozent gaben an, Passwörter für Social Network-, E-Mail- und andere Accounts an Freunde oder Familie weiterzugeben.

Die meisten Schüler beschränken den Zugang zu ihrem Profil in sozialen Netzwerken, nur 10,9 Prozent lassen die gesamte Öffentlichkeit teilhaben. Neben den Fragebögen wurden die Jugendlichen auch mit Zukunftsszenarien konfrontiert. 62 Prozent würden bei einem Rockkonzert ein RFID- (Funkerkennungs-) Armband benutzen und dafür persönliche Daten hergeben. Die Vorteile: kürzere Wartezeiten beim Eintritt, billigere Getränke, bargeldloses Zahlen und ein personalisierter Newsletter. 57,6 Prozent wären damit einverstanden, dass Schulgänge und Klassen videoüberwacht werden, um die Sicherheit zu verbessern. Für einen medizinischen Sensor, der unter der Haut implantiert wird und Gesundheitsdaten etwa an Ärzte weiterleitet, würden sich nur etwa zehn Prozent entscheiden.

"Die Jugendlichen wollen neue Technologien nutzen, wägen aber durchaus die Vor- und Nachteile ab, wenn es darum geht, persönliche Daten weiterzugeben" , fasste Bach zusammen. "Die Bequemlichkeit, also etwa kürzere Wartezeiten, spielt dabei aber eine große Rolle."

Keine Garantie

Neue Technologien wie mobile Kommunikation, Web 2.0, RFID, Biometrie und Genanalyse hätten eine neue Qualität von Daten hervorgebracht, die nicht nur über persönliche Interessen, sondern auch über zukünftige Handlungen Auskunft geben könnten, warnte Walter Peissl vom Institut für Technikfolgenabschätzung (ITA) der Akademie der Wissenschaften in seinem Vortrag. "Privatsphäre ist ein Grundrecht, kann aber heute durch rechtliche Instrumente nicht mehr garantiert werden" , sagte Peissl. "Selbstregulierung allein reicht nicht aus."

Um Sicherheitstechnologien, wie etwa die umstrittenen Nacktscanner, mit den Grundrechten vereinbar zu machen, erarbeitete das ITA ein Bewertungstool, das es Forschern und Unternehmen erleichtert, Datenschutzkriterien von Anfang an in die Entwicklung zu integrieren. Die Kriterien flossen auch in das Datenschutzgütesiegel Europrise ein. Wie rechtliche und ethische Rahmenbedingung für künftige Technologien aussehen könnten, will das Practis-Projekt bis Ende 2012 formulieren. In sozialen Netzwerken muss das Bewusstsein für Privatsphäre wachsen, waren sich die Experten einig. Aber auch darüber, dass Facebook von höchstpersönlicher Selbstdarstellung lebt. (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Printausgabe, 02.03.2011)