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Tausende drängten sich in Istanbul um den Sarg des türkischen Ex-Premiers Necmettin Erbakan.

Foto: REUTERS/Osman Orsal

Sein Anteil bei den türkischen Wählern lag zuletzt bei gerade einmal drei Prozent und seine Partei der Glückseligkeit hat sich Ende 2010 auch noch gespalten, doch zu Necmettin Erbakans Begräbnis am Dienstag in Istanbul kamen mehrere Hunderttausend Menschen. Es war ein Beleg dafür, wie hoch der Respekt für den historischen Chef der Islamisten in der Türkei und früheren Mentor von Premier Tayyip Erdogan ist.

Bereits um vier Uhr in der Früh trafen Busse mit Trauergästen aus weit entfernten Provinzen des Landes ein. Die Straßen um die Fatih-Moschee im gleichnamigen konservativen Stadtteil von Istanbul waren gesperrt. Erbakans Sarg war im Hof der Moschee aufgebahrt. Staatschef Abdullah Gül und Regierungschef Tayyip Erdogan, die beide Erbakans früherer Wohlfahrtspartei angehört hatten, nahmen an der Trauerfeier teil.

Erbakan war am Sonntag im Alter von 84 Jahren an Organversagen gestorben. In den 1960er-Jahren hatte er die einflussreiche islamistische Dachorganisation Milli Görüs gegründet, war in den 70er-Jahren an mehreren Regierungen beteiligt und wurde 1996 schließlich selbst für zehn Monate Regierungschef in einem Zweckbündnis mit der konservativ-säkularen Ex-Premierministerin Tansu Ciller.

Das Militär drängte Erbakan im Jahr 1997 wegen seiner islamistischen und anti-westlichen Haltung aus dem Amt. Erdogan nahm als Konsequenz Abstand vom „Hoca" - dem Lehrer, wie Erbakan respektvoll genannt wird - und gründete mit Gefolgsleuten die wirtschaftsliberale und EU-freundliche AKP.
Gül reist nach Kairo

Angesichts der politischen Umwälzungen in der arabischen Welt ergreift die Türkei nun ihrerseits die Initiative. Staatspräsident Gül wird morgen, Donnerstag, nach Kairo reisen und wird damit der höchstrangige ausländische Politiker sein, der direkt mit der Übergangsführung in Ägypten spricht.
Die Türkei sieht sich wegen der boomenden Wirtschaft und ihrer seit mehr als sieben Jahren amtierenden konservativ-muslimischen Regierung als Modell für die arabische Welt. (Markus Bernath aus Istanbul, DER STANDARD, Printausgabe, 2.3.2011)