Hannes Haas (53), Chef des Public-Value-Beirats.

Foto: Peter Dietrich

STANDARD: Der Public Value Beirat, dem Sie vorstehen, hatte als erstes den geplanten Infokanal des ORF auf öffentlich-rechtlichen Mehrwert zu prüfen, den auch das Gesetz vorschreibt. Können Sie da überhaupt nein sagen?

Haas: Man kann zumindest Auflagen erteilen und das Konzept auf Plausibilität prüfen. Nicht alles, was man beschreiben kann, kann oder will man auch umsetzen. Papier ist bekanntlich geduldig, der Public Value sollte das nicht sein. Wo das Konzept vage war, haben wir vom ORF nähere Auskunft verlangt.

STANDARD: Der Beirat hat dem Projekt grundsätzlich zugestimmt. Mit welchen Auflagen?

Haas: Wir sehen diesen Info- und Kulturkanal als Chance. Von einem Spartenkanal kann man ohnehin nicht wahnsinnig große Reichweiten erwarten. Also könnte man das Projekt durchaus offensiv angehen und als Möglichkeit verstehen, wo man ohne den unentwegten Quotendruck Formate ausprobieren kann. ORF 3 sollte mehr sein als TW1 ohne Sport, eher ein Off-Broadway für journalistische Innnovationen, die man sich in ORF 1 und ORF 2 nicht traut. In den Hauptkanälen ist das ökonomische Risiko groß, mit Programmexperimenten zu scheitern. Hier könnte man auch versuchen, jüngere Zielgruppen anzusprechen. Das ORF-Konzept sieht hingegen eine Zielgruppe ab 35 Jahren vor.

STANDARD: Der Beirat soll auch in Sachen Barrierefreiheit Zweifel geäußert haben?

Haas: Parlamentsdebatten untertitelt zu übertragen, die ohnehin Parlamentsstenografen mitschreiben, würden relativ einfach den Anteil barrierefreier ORF-Programme statistisch heben. So verdienstvoll das ist - wir fordern mehr Barrierefreiheit möglichst in allen Programmsegmenten.

STANDARD: Kann der Beirat nachträglich prüfen, was der ORF aus dem Konzept macht?

Haas: Äußern können wir uns jedenfalls. Zudem können wir Auflagen vorschlagen - eine davon ist selbstverständlich die Evaluierung dessen, was angekündigt wurde. Wir haben sehr stark auf Evaluation gedrängt.

STANDARD: Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Verfahren? Neue ORF-Angebote sind zunächst von der Medienbehörde auf ihren öffentlich-rechtlichen Mehrwert und auf ihre Marktauswirkung zu prüfen - und ob der ORF dafür Gebührengeld verwenden darf.

Haas: Wir sind ein kleines Beirätchen - aber quasi die Gralshüter des öffentlich-rechtlichen Auftrags: Unsere Aufgabe ist, die Medienbehörde zu beraten - ob der neue Dienst, das neue Programm des ORF dem öffentlich-rechtlichen Kernauftrag entspricht und wie er sich auf die Angebotsvielfalt auswirkt. Parallel zu uns prüft die Bundeswettbewerbsbehörde ökonomische Fragen, Auswirkungen auf den Markt.

STANDARD: Als nächstes will der ORF einen 24-Stunden-Sportkanal beantragen, quasi der Vollzeit-Nachfolger von ORF Sport Plus - vermutlich dann ORF 4.

Haas: Das ist angekündigt, wir haben aber noch kein Konzept bekommen.

STANDARD: Das könnte ein bisschen schwieriger werden - schon die Aufmerksamkeit der Privatsender dürfte da größer sein.

Haas: Das kann ich mir durchaus vorstellen. Es kann eine teure Angelegenheit werden. Aber natürlich kommt es darauf an, was man daraus macht - zwischen Sport-Nische und Mainstream. Ich bin gespannt auf das Konzept. (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 2.3.2011/Langfassung)