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Die Seitenarme der Donau-Auen sind stark reguliert. Die Tierwelt leidet unter der "Auflandung" , den höher werdenden Ufern.

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Eisvögel gehören zur Aulandschaft. Ihr Habitat wäre bei weiterer Eintiefung bedroht.

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Wissenschafter sprechen von einer grundsätzlichen Gefährdung des Ökosystems. Ein Projekt, das Abhilfe schaffen sollte, wurde gestoppt.

Wer vor mehr als zwanzig Jahren in den Seitenarmen der Hainburger Au nach Fischen suchte, wurde nach nur wenigen Minuten fündig. Im Frühjahr zogen sich viele Arten dorthin zurück, um in diesen tiefen Gewässern zu laichen. Heute kann es schon vorkommen, dass Fischer tagelang auf einen Fang warten. Und möglicherweise ohne Erfolg abziehen müssen. Der Bestand vieler Arten ist dramatisch zurückgegangen: der Schied zum Beispiel. In früheren Jahren ein in großen Mengen auftretender Fisch, ist er heutzutage in dieser Region genauso vom Aussterben bedroht wie der Schneider und der Wildkarpfen.

Hohe Umwandlungsrate

Die Gründe dafür sind vielfältig: Das Flussarmsystem ist im knapp 50 Kilometer langen Abschnitt zwischen dem Kraftwerk Wien Freudenau und der slowakischen Grenze aus seinem dynamischen Gleichgewicht geraten. Ursprünglich ist es durch Überschwemmungen zu Ablagerungen von Feinsedimenten in der Landschaft gekommen, sehr aktive strömungsintensive Seitenarme trugen die "Auflandungen" wieder ab und speisten damit die Aulandschaft. Deswegen hatte das Gebiet auch eine hohe "Umwandlungsrate" . Kaum ein Baum in den Auen ist älter als hundert Jahre.

Heute sind diese Seitenarme aufgrund zahlreicher Kraftwerke stromaufwärts reguliert und teilweise sogar vom Fluss getrennt. Aus dem gleichen Grund wird aus dem Nationalpark mehr Kies flussabwärts geschwemmt als nachkommt. So sinkt der Niederwasserspiegel der Donau im Durchschnitt zwischen ein und 3,5 Zentimeter pro Jahr. Wissenschafter sprechen von Sohleintiefung. Der Gewässerökologe Matthias Jungwirth von der Boku Wien warnt daher vor einer grundlegenden Gefährdung des gesamten Ökosystems.

Dass die Sohleintiefung langfristig in den Griff bekommen werden muss, darüber herrscht in Wissenschaftskreisen kein Zweifel. Welche Möglichkeiten dabei zum Einsatz kommen sollen, ist jedoch umstritten. Zurzeit werden bereits jährlich etwa 200.000 Kubikmeter Kies beim Kraftwerk Freudenau in den Fluss geschüttet, um die Eintiefung in Grenzen zu halten.

Zu wenig, wie Helmut Habersack sagt. Der Hydrologe an der Boku Wien und Leiter des Christian-Doppler-Labors "Innovative Methoden in Fließgewässermonitoring" : "Wir haben immer noch ein Defizit an Material." Eine mögliche Gegenmaßnahme wurde in Kooperation von mehreren Universitätsinstituten (u. a. Boku, TU und Universität Wien) entwickelt: Durch die Granulometrische Sohlverbesserung (GSV) soll in bestimmten Abschnitten der Donaukies, der gröber ist als der dort übliche, eingeschüttet werden: Zwischen 40 und 70 Millimeter große Steine würden den Abtransport von 25 bis 30 Millimeter großen Steinen wohl reduzieren.

Die Sohlen sollten so wieder stabilisiert werden. Und in weiterer Folge würde sich der Wasserspiegel heben und die Donau-Auen wieder besser an den Fluss angebunden werden. Dadurch würde natürlich auch die Donauschifffahrt profitieren.

Die Zugabe von gröberem Kies zur Sohlstabilisierung unterstützt auch Christian Baumgartner, wissenschaftlicher Leiter des Nationalparks Donauauen: "Das Normalgeschiebe ist leider nicht benutzbar. Man müsste die Menge auf rund 350.000 Kubikmeter im Jahr erhöhen, um den tatsächlichen Austrag zu kompensieren. Ein sehr kostenintensives und aufwändiges Verfahren."

Gröberer Kies

Ganz wäre das Problem mit dem größeren Kies wohl nicht behoben. Wie die Boku-Wissenschafter bei Messungen mit Unterwasserkameras herausgefunden haben, bewegen sich auch größere Steine, selbst wenn Niedrigwasser herrscht: "Allerdings haben Berechnungen ergeben, dass der Austrag bei gröberem Kies geringer ist." Habersack glaubt, dass man auf die weitere Zugabe von normal großem Kies nicht verzichten können wird. Er schlägt auch vor, harte Uferverbauung zurückzunehmen, "denn dadurch kann sich die Donau wieder natürlicher ausbreiten, was für eine zusätzliche Entlastung der Sohle sorgen würde" .

Ein vierter Schritt wäre die Neuausrichtung, Absenkung und Verlängerung der Buhnen. Das sind Regulierungswälle, die in den Flusslauf hineingebaut wurden und das Wasser in die Schifffahrtsrinne leiten.

Die Sohlverbesserung wurde an der TU Wien in einem eigens dafür gebauten, 30 Meter langen Strömungskanal simuliert, konnte allerdings noch nicht im größeren Rahmen im Fluss selbst getestet werden.

Handlungsbedarf

Ein geplanter Naturversuch auf einer Strecke von drei Kilometern im Umkreis Bad Deutsch-Altenberg wurde soeben vom Land Niederösterreich gestoppt. Formale Begründung: Die von der österreichischen Wasserstraßengesellschaft Via Donau initiierten Tests können nicht innerhalb der Genehmigungfrist bis Ende 2011 durchgeführt werden (Wissen). Dass dringend Handlungsbedarf besteht, ist aber allen Beteiligten klar.

Vor allem, weil eine Frage offen bleibt: "Was passiert, wenn der gesamte Kies von der Donausohle weg ist?" Denn im Fall, dass sich die Donau bis in eine darunterliegende Sand- und Schluffschicht eingräbt, droht der Sohldurchschlag. "Das würde einen canyon-artigen Riss im Fluss bedeuten" , warnt Habersack. "Kommt es so weit – und dafür könnte schon ein größeres Hochwasser reichen, wie ein vergleichbarer Fall in der Salzach aus dem Jahr 1969 gezeigt hat, ist nur mehr ein größerer technischer Eingriff möglich."

Ein Gedanke, den niemand weiterspinnen will, denn einer dieser möglichen Eingriffe wäre auch ein Kraftwerksbau. (Peter Illetschko und Martin Obermayr/DER STANDARD, Printausgabe, 02.03.2011)

=> Wissen: Gestopptes Pilotprojekt

Wissen: Gestopptes Pilotprojekt

Das Pilotprojekt Bad Deutsch-Altenburg ist der letzte von insgesamt sechs Tests, die ein flussbauliches Gesamtprojekt der Via Donau auf dem 50 Kilometer langen Abschnitt der Donau von Wien-Freudenau bis zur Staatsgrenze vorbereiten sollten. Dabei soll einerseits die Schifffahrt profitieren und andererseits der Nationalpark Donau-Auen revitalisiert werden.

Das Gesamtprojekt, wissenschaftlich von einem Leitungsausschuss begleitet, muss mit Umweltverträglichkeitsprüfung von den Landesregierungen Niederösterreich und Wien genehmigt werden. Für den 2006 eingereichten Test in Bad Deutsch-Altenburg brauchte man keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), weil er unter der UVP-Pflicht dimensioniert war. 3,8 Hektar Baumfläche sollten für dieses Pilotprojekt gerodet werden. Wie Wissenschafter sagen: Großteils schnell nachwachsende Pappeln. Der Umweltdachverband war an der Spitze von Organisationen, die den Testlauf kritisierten.

Der zuständige Landesrat von Niederösterreich, Stephan Pernkopf (ÖVP), stoppte, wieberichtetet, vergangene Woche den Versuch, weil die ursprünglich erteilte Genehmigungsfrist bereits Ende 2011 abläuft, bekannte sich aber "zum grundsätzlichen Ansatz des Projektes, der die Zukunft des Nationalparks durch Renaturierungsmaßnahmen absichert" . Nun muss geklärt werden, ob die Via Donau den Naturversuch noch einmal einreicht. (pi, mob)