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Tradition wird prolongiert - und mitunter zur Hürde. Mädchen mit Kopftuch seien "sehr schwer zu vermitteln", heißt es von Seiten der Studienautoren.

Foto: AP/Bruns

Eine neue Studie bildet die Misere der Sorgenkinder ab.

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Wien - Sie sind die Sitzenbleiber am Wiener Jobmarkt: Zwei Drittel der gemeldeten Arbeitslosen zwischen 15 und 21 haben Migrationshintergrund - und sind damit stark überrepräsentiert. Von allen Jugendlichen der Hauptstadt verfügt "nur" knapp die Hälfte über Wurzeln im Ausland.

Warum straucheln so viele Migranten beim Einstieg ins Berufsleben? Das Arbeitsmarktservice Wien und das Institut KMU-Forschung Austria nahmen die Sorgenkinder in einer Studie unter die Lupe - mit ernüchterndem Ergebnis. Trotz aller Integrationsdebatten, urteilt KMU-Projektleiterin Eva Heckl, habe sich die Lage seit der letzten Untersuchung von 2007 "nicht verbessert".

Schlechte Deutschkenntnisse

Ein Schluss, den Heckl aus der Befragung von Betreuern und Klienten des AMS zieht: "Die Schulen scheitern zu oft daran, die Kinder auf die Arbeitswelt vorzubereiten." Auch trotz abgeschlossener Hauptschule würden Jugendliche mitunter schlecht Deutsch sprechen, was nicht von der Aufenthaltsdauer im Land - zwei Drittel der jungen arbeitslosen Migrationen besitzen ohnehin die Staatsbürgerschaft - abhänge. Ein für die Lehrer wenig schmeichelhaftes Zeugnis: 51 Prozent der Befragten hätten sich im Umfeld mehr Unterstützung erhofft.

Gerade den Zuwanderern fehlte es aber auch an Hilfe der Eltern. Zwei Drittel der Österreicher konnten während der Schulzeit auf Hilfe aus der Familie zählen, aber nur 43 Prozent der Migranten, deren Väter und Mütter auch seltener Sprechstunden besuchen - wohl weil sie, wie ihre Kinder zu Protokoll gaben, schlecht Deutsch sprechen. 44 Prozent unterhalten sich im Familienkreis nur in der Muttersprache, bei im Ausland Geborenen sind es 64 Prozent.

Während die relative Mehrheit der einheimischen Väter und Mütter Lehrabschluss hat, kam das Gros der Migranten nicht über die Pflichtschule hinaus - und dieses Niveau werde "weitervererbt", schreiben die Autoren. "Je bildungsferner die Eltern, desto schwerer haben es die Kinder", sagt Gerda Challupner vom AMS.

Aber auch Tradition wird prolongiert - und mitunter zur Hürde. Die Hälfte der betrachteten türkischen Familien pflege Bekleidungsvorschriften, verrät die Studie, doch Mädchen mit Kopftuch seien "sehr schwer zu vermitteln". Die AMS-Klientinnen akzeptierten Arbeitgeber aus der Migrantenszene dabei kaum als Alternative - weil sie von diesen ihrer Ansicht nach ausgebeutet würden.

Scheitern an Vorurteilen

Andere problematische Kontinuität: Im Gegensatz zu den österreichischen (81 Prozent) und exjugoslawischen Müttern (69 Prozent) ist nur ein Drittel der Türkinnen erwerbstätig. Das mangelnde Verständnis für Bildung und Karriere von Frauen färbe mitunter auf die Chancen der Töchter ab, sagt Challupner: "Aber das ist nicht die Mehrheit."

Was laut der Expertin hingegen Unsinn sei: Dass sich junge Migranten nicht integrieren wollten. Und natürlich scheiterten sie auch an Vorurteilen von Arbeitgebern. Für denselben Job müssten Zuwanderer eine höhere Qualifikation aufweisen als Österreicher.

Das AMS schickt mittlerweile sogar Betreuer in Moscheen, um Eltern von Klienten zu erreichen, doch letztlich seien die eigenen Mittel begrenzt, meint Challupner. Pubertierende Jugendliche bräuchten vielfältige Betreuung, um an der Schwelle zum Beruf Krisen durchzustehen: "Sie sind viel stärker auf sich allein gestellt als früher. Vor 20 Jahren kamen zur Beratung meist Vater und Mutter mit. Heute kann ich froh sein, wenn einer auftaucht." (Gerald John, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.3.2011)