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Im Meer vor dem AKW stieg die Konzentration von radioaktiven Jod-Partikeln weiter und lag 4385-fach über dem Grenzwert. Die hohen Werte könnten bedeuten, dass ständig Radioaktivität aus dem Reaktor entweiche, warnte die japanische Atombehörde.

Foto: Tokyo Electric Co. via Kyodo News/AP/dapd

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Tepco schlampt weiter bei der Strahlenmessung. Die japanische Regierung will nun die Kontrolle über den Betreiber des Katastrophen-AKW Fukushima übernehmen.

Foto: REUTERS/Issei Kato

Erneute Schlamperei beim Betreiber der Atomruine von Fukushima: Die Strahlen-Messwerte vom Grundwasser in und um das Atomkraftwerk seien teilweise fehlerhaft, teilte die Atomaufsichtsbehörde am Freitag mit. Die Behörde drückte ihr "starkes Bedauern" über den erneuten Fehler aus. Deshalb musste der AKW-Betreiber die Analyse auf Anordnung der Atomsicherheitsbehörde wiederholen. Das Ergebnis sei laut Tepco gleich geblieben: Im Grundwasser nahe Fukushimas sollen 10.000-fach erhöhte Werte von radioaktivem Jod festgestellt worden sein.

Tepco mit Steuergeld stützen

Der japanische Staat muss Tepco womöglich mit Steuergeld stützen. Dem Konzern drohe sonst während seines Kampfes gegen die größte Nuklear-Katastrophe des Landes das Geld auszugehen, berichteten japanische Medien am Freitag. Regierungssprecher Yukio Edano bestätigte entsprechende Überlegungen. "Das ist keine Option, die wir bisher ausgeschlossen haben", sagte Edano. Ohne staatliche Hilfe werde Tepco vermutlich außerstande sein, die Stromversorgung aufrechtzuhalten und gleichzeitig hohe Prozesskosten und Entschädigungen zu zahlen, die aufgrund des Atom-Unglücks auf den Konzern zukommen, berichtete die Zeitung "Mainichi Shimbun".

Wenn der Staat Geld in den Konzern stecke, werde er dies tun, um in dessen Unternehmensführung einbezogen zu werden, sagte ein Regierungsmitglied der Zeitung weiter. Von einer Verstaatlichung von Tepco könne aber keine Rede sein. Industrieminister Banri Kaieda kündigte an, die Regierung werde in Kürze eine Arbeitsgruppe einsetzen, um die finanzielle Hilfe für Tepco zu beraten. Tepco-Vizechef Takashi Fujimoto sagte inzwischen, in dem Konzern habe es keinerlei Gespräche darüber gegeben, den Staat um Hilfe zu bitten.

Am Mittwoch hatte der Konzern bekanntgegeben, sich Kredite in Höhe von zwei Milliarden Yen (17,0 Mio. Euro) gesichert zu haben. Dies sei jedoch nicht genug, um das Unternehmen aufgrund seiner finanziell angespannten Lage am Laufen zu halten. Beobachter erwarten für Tepco massive Verluste und weiter steigende Kosten im Kampf gegen die nukleare Katastrophe.

Arbeiter nur mangelhaft geschützt

Unterdessen wurde Tepco von der Atomaufsichtsbehörde auch wegen mangelhaften Schutzes der Arbeiter vor radioaktiver Strahlung kritisiert. Der Betreiber sei aufgefordert worden, alles zu tun, um die Arbeiter vor der Strahlung zu schützen, sagte Behördensprecher Hidehiko Nishiyama am Freitag. Demnach hatte Tepco die Arbeiter nach dem Erdbeben und Tsunami vom 11. März nicht mit genügend Strahlenmessgeräten ausgestattet.

Nach Angaben der Atomsicherheitsbehörde gingen die meisten Messgeräte verloren, als die Tsunamiwelle über das Kraftwerk hinwegrollte. Die Zahl der Messgeräte sei von ursprünglich 5.000 auf 320 nach dem Tsunami zurückgegangen. Tepco habe die Arbeiter daraufhin in Teams eingeteilt und ein Messgerät pro Gruppe ausgegeben, um die Strahlenbelastung in der jeweiligen Arbeitsumgebung zu messen. Inzwischen habe Tepco wieder genügend Messgeräte, sodass jeder Arbeiter mit einem Gerät ausgestattet werden könne, hieß es. Die Gesellschaft habe erklärt, keinem Arbeiter ohne Messgerät den Zutritt zu erlauben.

An der Ruine versuchten die Arbeiter am Freiag, Harz auf die verstrahlten Trümmer zu sprühen. Das Vorhaben musste am Donnerstag unterbrochen werden, weil es regnete. Der Kunstharz soll verhindern, dass sich der radioaktive Staub verbreitet.

Kan besucht Krisenregion

Der japanische Regierungschef Naoto Kan will am Samstag zum ersten Mal seit dem Erdbeben und dem Atomunfall vor drei Wochen die Krisenregion besuchen. Vermutlich fährt Kan aber nicht direkt zur Atomruine in Fukushima. Es sei immer noch nicht abzuschätzen, wann die nukleare Krise zu Ende sein werde, sagte Kan am Freitag laut Nachrichtenagentur Kyodo. Zunächst müsse sich die Lage in dem Kraftwerk in Fukushima stabilisieren. "Wir sind auf einen langen Kampf vorbereitet", betonte Kan.

Als erster ausländischer Staatschef seit Beginn der Katastrophe besuchte am Donnerstag der französische Präsident Nicolas Sarkozy Japan und bot dem Land Hilfe an. Zugleich verteidigte er die Kernenergie und forderte einheitliche Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke weltweit.

Anzug statt Overall

Regierungssprecher Yukio Edano setzte am Freitag allein mit seiner Kleidung ein Signal: Statt im blauen Overall der Rettungskräfte trat Edano wieder im eleganten dunkelgrauen Anzug vor die Presse. "Wir wollten zeigen, dass die Regierung nun auch in die Zukunft blickt. Deshalb haben wir diese Jacken ausgezogen." Die Kabinettsmitglieder hatten seit dem Beben vom 11. März die gleichen Schutzanzüge getragen wie die Helfer im Erdbebengebiet. Es sei "Zeit für die Regierung, die nächsten Schritte in Richtung Wiederaufbau zu machen", sagte Edano.

Im Meer vor dem AKW stieg die Konzentration von radioaktiven Jod-Partikeln weiter und lag 4385-fach über dem Grenzwert. Die hohen Werte könnten bedeuten, dass ständig Radioaktivität aus dem Reaktor entweiche, warnte die japanische Atombehörde. Es sei jedoch unklar, wo sich das Leck befinde.

Suche nach Tsunami-Opfern

Währenddessen begannen tausende japanische und US-Soldaten mit einer großen Suche nach Tsunami-Opfern vor der nördlichen Pazifikküste Japans. Insgesamt 120 Flugzeuge und Hubschrauber sowie 65 Schiffe nahmen die Suche nach Opfern der Katastrophe auf, wie ein japanischer Armeevertreter sagte. Nach Informationen der Zeitung "Yomiuri Shimbun" sind 17.000 japanische und 7.000 US-Soldaten im Einsatz. Bei dem Erdbeben und dem anschließenden Tsunami am 11. März waren mindestens 11.532 Menschen ums Leben gekommen, mindestens 16.441 weitere Menschen werden noch vermisst. (APA)