Wien - "Wenig abwechslungsreich, lieblos serviert und manchmal Schimmelgeschmack" - wenig gelobt wird das Essen in Krankenhäusern, obwohl sie ein überaus wichtiges Kriterium zur Patientenzufriedenheit ist. Während in Österreich noch kaum jemand Begriffe wie "Krankenhaus" und "Gastronomie" oder gar "Krankenhaus" und "Hotellerie" verknüpft, ist dies in der Schweiz anders, wie Bernhard Tanner, Bereichsleiter Gastronomie des Universitätsspitals Bern, am Freitag beim 28. Ernährungskongress der Diaetologen Österreichs in Wien erläuterte.

Das Inselspital in Bern wurde 1354 gegründet und gilt heute als eines der bedeutendsten Universitätsspitäler in der Schweiz. Tanner steht als gelernter Koch und diplomierter Hotelier-Restaurateur dort einer Gastronomie-Crew mit 300 Mitarbeitern vor, die täglich 2.400 Mahlzeiten für Patienten und 5.400 Mahlzeiten für die Gäste in den sieben Restaurants des Krankenhauses - von der Take-Away-Snackbar bis zum Nachtrestaurant - zubereitet.

Des Weiteren werden durchschnittlich 31 Veranstaltungen pro Tag kulinarisch mitversorgt. Gekocht wird täglich frisch, Induktionsspeisewagen helfen, die mikrobiologischen Anforderungen zu erfüllen. Zudem werden alle Diätmenus ausschließlich von Köchen mit einer Diätkoch-Ausbildung zubereitet.

Zwischen Genuss und Therapie

Für Tanner bedeutet Essen im Krankenhaus "eine Art Brückenbauer zwischen Genuss und Behandlung, aber auch zwischen den Patienten und den Pflegenden bzw. Ärzten". Zum einen ist Essen ein Thema, über das neben Krankheiten und Diagnosen neutral diskutiert werden kann, zum anderen bildet es einen Fixpunkt im Tagesablauf der Patienten. Diese können mitbestimmen, was auf den Tisch kommt. "Drei bis fünf Prozent der Patienten nehmen während ihres Krankenhausaufenthaltes ab, bei Mangelernährten sind es sogar zehn Prozent und mehr", so Anna-Maria Eisenberg, Diaetologin vom Universitätsklinikum Graz.

Mittels Umfragen werden im Inselspital in Bern die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten ermittelt und entsprechend umgesetzt. Berücksichtigt werden neben dem Gesundheitszustand zum Beispiel Vorgaben diverser Religionsbekenntnisse. Tanner: "Die Sonntagsbraten-Generation stirbt aus. Jetzt kommen die wilden 68er. Und die wollen das essen, was sie sonst auch am Teller haben."

In Österreichs Krankenhäusern werden drei bis fünf Prozent der Gesamtausgaben für den "Faktor Verpflegung" ausgegeben, führte Anna-Maria Eisenberg aus. Im Spital in Bern lag der Netto-Aufwand im Jahr 2009 bei 1,6 Prozent, berichtete Tanner. Der Brutto-Aufwand minus Cash-Erträge vor Abschreibungen und Amortisation belief sich auf 2,7 Prozent. Tanner, der nach 17 Arbeitsjahren als Direktor bei Mövenpick 1987 ins Spital nach Bern wechselte: "Die Nettoaufwendungen für unsere Gastronomie sind mit einer Hotel-Vollpension eines 2-3-Sterne-Hotels mit allen Zwischenmahlzeiten und Getränken vergleichbar. Mein Frühstück kostet nicht mehr als acht Franken (6,15 Euro)". (APA)