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Trauert vorzugsweise medienwirksam öffentlich: Jaroslaw Kaczynski bei einer Kranzniederlegung vor dem Präsidentenpalast im März.

Foto: Reuters/Pempel

Warschau - "Niemand kann uns verbieten, derjenigen, die ums Leben gekommen sind, zu gedenken. Dies wäre, als wenn man Familien verboten hätte, die Gräber ihrer Angehörigen zu besuchen", sagte am Freitag der Chef der rechtskonservativen Oppositionspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit), Jaroslaw Kaczynski, bei einer Pressekonferenz in Warschau. Er kommentierte damit den Appell der Bischöfe, wonach eine Jahr nach dem Absturz der polnischen Regierungsmaschine vor Smolensk (Russland) die Trauerzeit beendet sein solle.

Der Warschauer Erzbischof Kazimierz Nycz hatte am Mittwoch nach einer Konferenz des Episkopats erklärt, dass nach der polnischen und kirchlichen Tradition die Trauerzeit ein Jahr nach der Katastrophe endet. "Der Friedhof ist weder unser Heiligtum noch unser Haus. Wir kommen dort zwar hin, um unsere Nächsten zu beweinen, aber es kommt der Moment, in dem wir zum alltäglichen Leben zurückkehren müssen", betonte Nycz in Bezug auf den Jahrestag der Katastrophe, der am 10. April begangen wird.

"Niemand hat das Recht, mir das zu verbieten"

Kaczynski betonte, Trauer sei eine individuelle Frage. "Was mich betrifft, so ist etwas geschehen, worunter ich sicher bis zum Lebensende leiden werde und niemand das Recht hat, mir das zu verbieten", so der PiS-Chef.

Der Staatsminister in der Präsidialkanzlei, Slawomir Nowak, nannte im Radio TOK FM den Appell der Bischöfe "eine kluge Botschaft". "Es ist ein Jahr vergangen und die Leute möchten normal leben. Auch den Opferfamilien muss man ermöglichen, normal zu leben. Die Wunden sollten nicht ständig, auch durch das öffentliche Verhalten einiger Politiker, immer wieder geöffnet werden", so Nowak.

Die meisten Polen haben bereits genug von dem ununterbrochenen Streit um die Smolensk-Katastrophe. Laut einer Umfrage des CBOS-Instituts sind 78 Prozent der Polen irritiert und gelangweilt durch die ständigen Diskussionen über die Tragödie. 87 Prozent sind der Auffassung, dass die Katastrophe zum Werkzeug der politischen Auseinandersetzung geworden ist. Für 85 Prozent der Befragten ist der Unfall der Regierungsmaschine ein bequemes Ersatzthema.

Bei dem Crash kamen am 10. April des Vorjahres alle 96 Insassen der Maschine ums Leben, darunter der polnische Präsident Lech Kaczynski, dessen Ehefrau und zahlreiche weitere hohe Staatsfunktionäre. (APA)