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Die wichtigste Ressource, um an Uran zu kommen, besteht neben konventionellem Bergbau derzeit darin, dass militärische Lagerbestände aufgebraucht werden.

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Wien - Die Angaben zum Zeithorizont könnten unterschiedlicher nicht sein: Zwischen 40 und maximal 60 Jahren beziffert man bei Greenpeace die Vorräte am Nuklearbrennstoff Uran. Anders die Wiener Atomenergiebehörde IAEA, die erst im Vorjahr mit einer gemeinsam durchgeführten Studie mit der Kernenergie-Agentur Nea auf Vorräte kam, die noch locker hundert Jahre reichen würden.

Die weitere Entwicklung der Atomkraft in der nächsten Zukunft wird auch davon abhängen, welcher der beiden Prognosen man mehr Glauben schenkt. In Anlehnung an Peak Oil, also den Zeitpunkt, zu dem das globale Ölfördermaximum erreicht ist, spricht Greenpeace-Atomexperte Niklas Schinerl von Peak Uran. "Die Zeit des billigen, leicht verfügbaren Urans ist bald vorbei", argumentiert er. Dies sei nicht unwesentlich, wenn bei Atomkraftwerken eine Betriebsdauer von 60 Jahren veranschlagt wird und viele Atomkraftwerke geplant sind.

Größtes Reservoir noch nicht angezapft

Georg Steinhauser vom Atominstitut der Technischen Universität Wien argumentiert anders. "Die Kernenergie wird nicht daran scheitern, dass das Uran zu Ende geht", sagt er. Neben den großen Uranlagerstätten sei das größte Reservoir von Uran nämlich noch gar nicht angezapft: das Meer. In einem Kubikmeter Meerwasser befinden sich drei Milligramm Uran - "so viel wie ein Stecknadelkopf". Dies sei, erklärt der Chemiker, "nicht unbeträchtlich".

Auch sind einige der Nukleartechnologien unter dem Aspekt zu sehen, dass sie die endlichen Uranvorkommen "strecken": Die wichtigste Ressource, um an Uran zu kommen, besteht neben konventionellem Bergbau derzeit darin, dass militärische Lagerbestände aufgebraucht werden.

Auch das hoch giftige Plutonium - Steinhauser bevorzugt den Ausdruck "höhere Radiotoxizität" - kann unter dem Aspekt gesehen werden, dass es die Verfügbarkeit von Uran verlängert. Plutonium entsteht bei jedem mit Uran betriebenen Kernreaktor. Da es bei der Wiederaufbereitung abgetrennt wird, kann es in Form von MOX-Brennstäben (Mischoxid-Brennelementen) wieder zur nuklearen Energieerzeugung genutzt werden. Für Hardcore-Techniker ist dies eine reizvolle Art von Recycling, noch dazu strahlt Plutonium stärker als Uran. Aber es ist auch wegen seiner hohen Toxizität noch gefährlicher als Uran, wie am Reaktor 3 in Fukushima derzeit zu beobachten.

Ein weiteres radioaktives Element, das bei der Atomkraft immer mehr ins Spiel kommt, ist Thorium, das etwa dreimal häufiger vorkommt als Uran. In Indien sind eine ganze Reihe von Atomkraftwerken auf Basis von Thorium geplant, da der Subkontinent über große Vorkommen verfügt.

Demokratische Anbieter

In der Diskussion um Atomstrom hatte die Atomindustrie jahrzehntelang argumentiert, dass die großen Lagerstätten für Uran in sogenannten gefestigten Demokratien (Australien, Kanada) liegen und nicht in "labilen" Staaten wie beim Erdöl. Dies hat sich nach dem jüngsten World-Mining-Bericht geändert. Kasachstan hat sich auf den ersten Platz der Urananbieter katapultiert.

Die unsichere Zukunft der Nuklearenergie hat sich auch in den Preisen niedergeschlagen. Gleich nach der Reaktorkatastrophe in Japan sank der Preis an der New York Mercantile Exchange (Nymex) auf 50 Dollar je Kilo und erholte sich dann nur auf 60 Dollar. Erst ab einer Schwelle von 60 Dollar komme es zu Investitionen, meinen Experten. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2./3.4.2011)