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Parteichef Josef Pröll ist im Krankenstand.

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Seine Vertreter und Adjutanten sind Klubobmann Karlheinz Kopf

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und Generalsekretär Fritz Kaltenegger. Sie scheitern im Kampf um die Themenführerschaft.

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Wien - K & K haben von der Krise die Nase voll: Seit zwei Wochen stehen Klubobmann Karlheinz Kopf und Generalsekretär Fritz Kaltenegger, im Gegensatz zu so manchem abgetauchten Minister, öffentlich für die Turbulenzen in der ÖVP gerade. Und sie bekommen die größte Ladung des in der Partei aufgestauten Frusts ab.

Den Blitzableiter zu spielen zählt zur Job-Deskription. Klubobmann und Generalsekretär sollen die Partei führen, wenn ihr Chef Josef Pröll wegen Regierungsgeschäften beschäftigt oder wegen einer Erkrankung außer Gefecht ist. Die Macht zwischen den beiden Schaltstellen ist ausbalanciert wie auf einer Waage, wobei sich das Gewicht zum Parlament verschoben hat. Während Personal und Geld in der Parteizentrale immer knapper wurden, konnten sich im Klub eloquente Wortführer profilieren, die - so ein Mandatar - "mit dem Schwert" für die Partei kämpften.

Wegducker ist Kopf keiner. Der 53-Jährige zählt zu jener raren Sorte von Politikern, die sich auf ernsthafte Debatten einlassen und sachliche Fragen nicht bloß mit vorgefertigten Floskeln abwiegeln. Doch Angriff liegt dem nüchternen Wirtschaftsbündler weniger. Und so ist Kopf nicht gelungen, was sich viele in der Partei (auch) von ihm erwarteten: die Eroberung der Themenführerschaft. Als Desaster qualifizieren Kritiker etwa den Streit ums Sparpaket. Hilflos habe sich die ÖVP für die Kürzung der Familienbeihilfe abwatschen lassen, während sich Koalitionspartner SPÖ tot stellte.

"Er ist nicht der Typ für diesen Job" , meint ein Parteikollege aus dem Regierungsumfeld: Kopf fehle nicht nur die pointierte Rhetorik, sondern auch das nötige "Herzblut" . Auf wichtigen Schlachtfeldern sei die ÖVP auf dem Rückzug, lautet das verbreitete Lamento: "Im ORF, für den Kopf als Mediensprecher zuständig ist, haben wir gar nichts mehr zu sagen."

Als dominant fiel Kopf zuletzt nur im eigenen Klub auf. Öffentlich hat sich zwar lediglich ein Abgeordneter, der Wiener Ferdinand Maier, beklagt, doch auch andere Mandatare fühlen sich von der Regierung übergangen und von ihrem Chef bevormundet. Was Kopf zu seiner Verteidigung ins Treffen führen kann: Mit Werner Amon darf nun ein Parlamentarier den schwarzen Chefverhandler für die Bildungsreform spielen.

Viel Taktik, wenig Linie

Ein gewisser Cultural Clash mache die Koexistenz im ÖVP-Klub nicht einfacher, ergänzt ein Beobachter: Kopfs vom Vorarlberger "Schaffe, schaffe!" -Ethos beseelter Vorschlag, die Abgeordneten zu einer Pflichtsitzung pro Woche zu vergattern, kam in den eigenen Reihen jedenfalls gar nicht gut an.

Auch Fritz Kalteneggers Versuche, der ÖVP ein Profil zu verpassen, sind wirkungslos verpufft. Die Idee, der von der SPÖ angezettelten Gerechtigkeitskampagne mit dem Transferkonto eine andere Richtung zu geben, ging nur kurz auf. Keine zählbaren Ergebnisse brachte bislang die vom Generalsekretär vor einem guten Jahr gestartete Debatte über ein neues Parteiprogramm. Der Absturz bei jungen, urbanen Wählern ist ungebremst; die Kür von Josef Prölls "Superpraktikantin" war ein belächelter Rohrkrepierer.

Meriten erwarb sich der 39-Jährige hingegen im Kerngeschäft des Parteimanagers: Die von ihm organisierten Wahlen (ORF-Publikumsrat, EU) verliefen, auch dank manch glücklicher Fügung, gut. Punkto Kommunikation gibt's wenige Klagen - obwohl oder gerade weil Kaltenegger "ein atypischer, nämlich sachorientierter Generalsekretär ist" , wie Ex-Vizekanzler Josef Riegler, einer seiner Entdecker, urteilt: "Er ist weder ein Beißer noch der größte Witzereißer."

Zuletzt fasste Kaltenegger aber Kritik aus. Er hatte die Affäre um Ernst Strasser anfangs als Eifersüchtelei innerhalb der Brüsseler VP-Fraktion abgetan - was manchem Abgeordneten sauer aufstieß. In Regierungskreisen wird der loyale Kärntner hingegen verteidigt. Schließlich habe er, als alle Karten auf dem Tisch lagen, eindeutig reagiert. Wording: "Wenn ein Bauernbündler etwas kann, dann einen Saustall ausmisten."

Die Vergangenheit als Direktor des Bauernbundes ist nicht die einzige Gemeinsamkeit des "Generals" mit seinem Parteichef. Auch Kaltenegger studierte an der Boku, lernte das politische Geschäft als Kabinettschef (von Josef Pröll), sieht sich als urbaner Mensch mit starker Verwurzelung in der Scholle. Und er ist, wie sein Mentor Riegler sagt, "mehr Macher als Ideologe" .

Viel Taktik, Kalkül und Spin, aber wenig Inhalte: Es gibt Stimmen, die diese Schieflage für das größte Defizit der ÖVP halten, das sich in den einseitig gewichteten Talenten der Frontmänner Kopf, Kaltenegger und Pröll spiegle.

Auch Peter Ulram findet, "dass die inhaltliche Linie zu kurz kommt", lokalisiert das Problem aber woanders. Die Macht in der ÖVP habe sich stark zu den Landesparteien verlagert, meint der Politologe. Während sich früher die Interessen der Bünde austarieren ließen, stünden Generalsekretär und Klubobmann nun einem Block gegenüber, der in Schlüsselfragen - Stichwort Strukturreform - geschlossen auf der Bremse stehe. "Da ist es schwer, gemeinsame Projekte zu finden" , sagt Ulram: "Und so bleibt alles diffus." (Gerald John, DER STANDARD; Printausgabe, 2./3.4.2011)