Schräger Yogi: Gonjasufi sorgt mit seiner wild zusammengewürfelten Band für einen Höhepunkt am ersten Wochenende des Kremser Donaufestivals.

Foto: Standard/Christian Fischer

Wien - Der Weg vom Bilderstürmer zum Museumswärter ist oft ein kurzer. Was vor wenigen Augenblicken noch als Avantgarde irritierte, ist ein paar Erdumdrehungen später schon Mainstream, hängt in den Sammlungen Neureicher oder läuft mit gezogenen Zähnen im Formatradio. Das ist ein Risiko, dem sich das Kremser Donaufestival immer wieder aussetzt, wenn es wilde Hunde von früher präsentiert.

Am Samstag ging man so betrachtet auf Nummer sicher: Denn da lud das über zwei Wochenenden ausgedehnte Festival zur Österreichpremiere von Gonjasufi. Und niemand wusste genau, was da zu erwarten wäre.

Zu erratisch wirkt dieser Mann, der im Vorjahr mit dem Album A Sufi And A Killer aus dem Nichts aufgetaucht war und darauf mit ruinierten Skizzen von HipHop, afrikanischer Folklore, elektronischer Musik und zerzaustem Pop zu einer abenteuerlichen Reise in eine seltsame Klangwelt lud.

Gonja wer? Wenn's wahr ist, wurde Gonjasufi als Sohn einer mexikanischen Mutter und eines in die USA ausgewanderten Äthiopiers in San Diego geboren und mit dem Namen Sumach Ecks in die Welt geschickt. Heute soll er in Las Vegas leben, wo er sich - es gilt die Unschuldsvermutung - als Yogalehrer verdingen soll.

Zumindest der Krummrücken, den er bei seiner Live-Darbietung ausgestellt hat und der ob zweier dicker, im T-Shirt steckender Rastazöpfe gruselig alienesk wirkte, schien auf eine Beweglichkeit hinzudeuten, die Yoga geschuldet sein könnte. Ansonsten sah das Quartett nur bedingt leibesertüchtigt aus, erweckte vielmehr den Eindruck, es handle sich um eine aus freien Stücken gescheiterte Drogenentziehungsgruppe auf Europa-, äh, Trip.

Problem gemeinsame Sprache

Dementsprechend begann die Show mit ein paar Dosen Dröhnung: harte Gitarren und wildes Getrommel - was in Zusammenhang mit dem grimmig bezopften Gonjasufi am Mikrofon an die ähnlich auftretenden afroamerikanischen Hardcore-Miterfinder Bad Brains erinnerte.

Diverse Kommunikationsversuche mit dem Publikum scheiterten daran, eine gemeinsame Sprache zu finden. Zwar parlierte der wilde Mann mit der Arschdurchhängehose auf etwas, das entfernt ans Englische erinnerte, ein sinnstiftenden Dialog entspann sich daraus nicht: "Junomeistaff?" Gonjasufi schien angesichts des Publikums ähnlich verwirrt wie dieses angesichts seiner.

Es sollte also ein wenig dauern, bis man sich ineinander verliebte, aber am Ende wollte niemand, dass es aufhörte. Bis dahin erlebte der Saal eine grandiose, jeder Ablenkung nachgehende Band, deren Darbietung dennoch nicht zerfiel. Gonjasufis Rücken bog und streckte sich, ein wirrer Nuschelgesang, halb Rap, halb Man-weiß-es-nicht, kollidierte mit elektronischen Spielereien, wurde vom Stroboskoplicht zerrissen oder durch immer wieder stattfindende Absentierungen von Teilen der Band unterbrochen. Gespielt wurde, was gefiel; an so etwas wie eine Setlist glaubt Gonjasufi nicht, und das Ergebnis gab ihm recht.

Die Band überraschte nicht nur das Publikum, sondern auch sich selbst immer wieder. Und inmitten dieses herrlich infantilen Chaos gebar sie immer wieder genialische Momente. Hilfreich war die eine oder andere vergleichsweise konventionelle Nummer wie She Gone.

Aber gerade die nur schwer kanalisierten Ideenschübe machten die Show aus. Musikalisch erinnerte Gonjasufi an Underdogs des erweiterten HipHop-Einzugsgebiets wie New Kingdom oder Acts des New Yorker Word-Sound-Labels. Doch es bedarf schon eines wirren Genies, das all diese losen Enden und Ästhetiken irgendwie unter einen Hut bekommt: Gonjasufi ist so eines - ein großer Abend. (Karl Fluch, DER STANDARD - Printausgabe, 2. Mai 2011)