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Frau Gül trägt ein Kopftuch, und man hat es ihr in den vergangenen acht Jahren nicht eben leicht gemacht, etwas anderes sein zu dürfen als eine Frau mit dem sogenannten "Türban": zum Beispiel Ehefrau eines türkischen Politikers, die sich auch ihre Gedanken zur Gesellschaft im Land macht.

Doch in der Türkei mit ihrer säkularen Verfassung polarisiert Hayrünissa Gül, die heute, Montag, mit ihrem Ehemann, dem Staatspräsidenten Abdullah Gül, nach Österreich reist. Das Kopftuch der modebewussten First Lady ist immer noch Provokation für die einen, Genugtuung für die anderen. Bei dem "Türban" handelt es sich dabei um ein aus den arabischen Ländern stammendes, bis in die 1980er-Jahre in der Türkei nicht sehr gebräuchliches, streng gesteckt und geknotetes Tuch.

2007, als ihr Mann für das Präsidentenamt kandidierte und die Wogen der Empörung im kemalistischen Teil der Türkei besonders hoch gingen, fand die damals medienscheue Hayrünissa das Argument, das sie seither zur Generalverteidigung anführt."Ich verhülle meinen Kopf, nicht mein Gehirn" , diktierte sie den Journalisten in den Notizblock. Soll also heißen: Eine Frau mit muslimischer Kopfbedeckung muss nicht automatisch rückständig und dem Mann ergeben sein. "Ich bin eine moderne Frau" , sagt die 45-Jährige.

Eben das bezweifeln ihre Kritikerinnen in der Türkei. Sie weisen auf die konservativ-fromme Herkunft der Güls hin. Beide stammen aus Kayseri, heute eine geschäftstüchtige Millionenstadt in Mittelanatolien. Die Heirat hatten wohl die Eltern arrangiert, Abdullah Gül war damals -1980 - 30 Jahre alt, seine künftige Frau Hayrünissa Özyurt gerade 15, also minderjährig.

Für das Kopftuch, so erzählt Hayrünissa Gül im Privaten, habe sie sich aus freien Stücken entschieden. Anders als Emine Erdogan, die Frau des türkischen Premiers, wie mittlerweile herauskam.

Die Mutter dreier Kinder - die Söhne Emre und Ahmet und die Tochter Kübra, ebenfalls Kopftuchträgerin - holte ihr Abitur nach und wollte in Ankara Arabistik studieren. Die Universität verweigerte ihr wegen des Kopftuchs die Aufnahme. Darauf ging Hayrünissa Gül zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, zog die Klage aber zurück, als ihr Mann 2003 Außenminister wurde. Ihr selbstbewusster Umgang mit dem Tuch ist mittlerweile für viele Türkinnen zum Vorbild geworden: Hayrünissa Gül steht für Mode und Islam. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 2.5.2011)