"Gewaltige Flüchtlingsströme aus Nordafrika" verängstigen die Kärntner und die Burgenländische Landesregierung. Jetzt haben sie sich für neue Grenzkontrollen gerüstet: Der rot-schwarze Landtag im Burgenland forderte vom Bund ein Konzept für vorübergehende Grenzkontrollen ein. Eine blau-schwarze Mehrheit in Kärnten forderte vom Bund, wieder Soldaten an der Grenze patrouillieren zu lassen.

Die beiden Antragstexte wurden formuliert, nachdem der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi die gestrandeten Flüchtlinge aus Nordafrika mit Reisevisa ausgestattet hatte. Das war im April. Eineinhalb Monate später wurden die Anträge in den Landtagen beschlossen. Da konnten die Parteien also schon wissen, ob die drohende Flüchtlingswelle in die Alpenrepublik geschwappt war.

derStandard.at hat sich die Asylstatistik des Innenministeriums angesehen und zeigt, wieviele Flüchtlinge in Österreich im April um Asyl ansuchten: 20 Menschen aus Algerien baten in Österreich um Asyl - das ist weniger als eine volle Eishockeymannschaft. Aus dem Revolutionsland Ägpyten kamen im April acht Asylantragsteller - das entspricht der Belegschaft von zwei Viererbobs. 13 Libyer stellten Asylanträge - also im Vergleich eine volle Basketballmannschaft mit Trainer. Aus Marroko kamen 15 - eine volle Fußballmannschaft, bei der der Ersatztormann fehlt.

Nimmt man die Antragsteller der fünf Länder zusammen, kommt man auf 71 Asylsuchende im April - um sechs mehr als im Monat davor. Zum Vergleich: Allein aus der Russischen Föderation stellten im April 199 Menschen Asylanträge.

Nur 1 Prozent kommt nach Europa

"Und wenn sie noch nicht da sind, dann werden sie schon noch kommen!" wird hier unterhalb wohl auch gepostet werden. Die aktuellen Zahlen deuten jedoch nicht darauf hin. Ruth Schöffl von UNHCR Österreich erklärt: "Insgesamt sind vor der Gewalt in Libyen bereits fast eine Million Menschen geflohen, aber nur ca. 15.000 sind bisher nach Europa gekommen - das ist nur gut ein Prozent. Zusätzlich zu diesen Flüchtlingen sind in Europa nochmals ca. 25.000 Tunesier aus meist ökonomischen Gründen nach Europa gekommen. Die meisten Flüchtlinge haben aber Tunesien und Ägypten aufgenommen. Hier ist ganz dringend die Solidarität von Europa gefragt, das bis jetzt noch keinesfalls mit einer riesigen Flüchtlingswelle konfrontiert ist."

Um in der Diktion zu bleiben: Die "gewaltigen Flüchtlingsströme aus Nordafrika" (Antrag aus dem Burgenland) bzw. die "nicht verkraftbaren nordafrikanischen Flüchtlingsströme" (Kärntner Antrag) waren aus österreichischer Sicht nicht einmal ein Rinnsal. Die Anträge der beiden Regierungsparteien der jeweiligen Bundesländer bekamen dennoch eine Mehrheit in den Landtagen. (Benedikt Narodoslawsky, Rainer Schüller, derStandard.at, 29. Mai 2011)