Für Kinder türkischer Immigranten war das heimische Bildungssystem bislang keine große Hilfe

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Wien  - Dass in Österreich das Bildungsniveau der Eltern jenes ihrer Kinder mitbestimmt, wurde bereits in vielen Studien belegt.  Gerade bei türkischstämmigen Migranten funktioniert es anders: Obwohl ihre Eltern im EU-Vergleich gut gebildet sind, haben die Kinder türkischer Eltern in Österreich ein vergleichsweise niedriges Bildungsniveau.

Das besagen erste Ergebnisse der seit zehn Jahren laufenden, in acht Ländern durchgeführten Studie "The Integration of the European Second Generation", aus der die Bildungsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger erste Ergebnisse präsentiert hat. 

Besser als Schweden

Das hohe Bildungsniveau der türkischen Migranten der ersten Generation war für die Forscher selbst eine Überraschung: In Österreich ist bei den Vätern der untersuchten Gruppe der Anteil derer, die eine mittlere Schule abgeschlossen haben am höchsten (50 Prozent), der Anteil derer mit maximal Volksschulabschluss hingegen am geringsten (28 Prozent). Zum Vergleich: In Schweden sind es 29 bzw. 48 Prozent. Auch die Mütter der Türken der zweiten Generation haben in Österreich ein vergleichsweise besseres Bildungsprofil.

Für ihre berufliche Position können sie das allerdings nur schlecht nutzen, so Herzog-Punzenberger. Stattdessen wurden Personen mit Lehrabschluss oft als Hilfsarbeiter eingesetzt und bleiben es für den Rest ihres Berufslebens. Dazu komme, dass die Politik in den vergangenen 40 Jahren bei Migranten in Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern weniger stark auf Weiterqualifikation gesetzt habe. So wurden etwa in Schweden schon vor 40 Jahren angeworbene Arbeitskräfte in der Arbeitszeit kostenlos in Sprachkurse geschickt, was sich wiederum positiv auf die Aufstiegsmöglichkeiten ausgewirkt hat.

Österreich habe bewusst niedrig qualifizierte Arbeitskräfte gesucht, "sie wurden als konjunkturabhängige Verschubmasse gesehen", so Herzog-Punzenberger. Dementsprechend sei auch nicht deren Integration, sondern "Rückkehrorientierung" forciert worden, damit diese bei schlechterer Konjunktur wieder in ihre Heimat zurückgeschickt werden konnten. Während Schweden schon in den 70ern klar wurde, dass diese Menschen im Land bleiben würden, sei in Österreich noch in den 90ern eine Rückkehrorientierung erwünscht, in Deutschland über Prämien sogar aktiv gefördert worden. "Das sind schlechte Rahmenbedingungen für Spracherwerb", so die Forscherin. Dazu komme, dass langansässige Drittstaatsangehörige in Österreich nach wie vor nicht rechtlich gleichgestellt seien.

Kinder schaffen Aufstieg nicht

Ein Drittel der türkischen Migranten der zweiten Generation in Österreich schließt maximal die Sekundarstufe I ab, bis zur Matura schaffen es 22 Prozent, eine postsekundäre (Kolleg etc.) oder Hochschulausbildung machen nur 14 Prozent. In Schweden haben hingegen lediglich zehn Prozent nur einen Pflichtschulabschluss, 57 Prozent maturieren und 33 Prozent machen danach eine weitere Ausbildung. Ähnlich schlecht wie Österreich schneiden hingegen Deutschland und die Schweiz ab, in denen es ein ähnliches Bildungssystem gibt.

Früh selektiert

In Österreich haben - entsprechend der damaligen gesellschaftlichen Normalität - 40 Prozent der Befragten keinen Kindergarten besucht. Dementsprechend habe ihnen der Sprachkontakt und die Förderung in einer sehr sensiblen Phase gefehlt. Dazu komme die frühe Selektion: Während etwa in Schweden alle Kinder zwölf bis 13 Jahre gemeinsam in eine außerfamiliären Institution wie Schule oder Kindergarten gehen, sind es wegen des differenzierten Schulsystems in Österreich nur fünf bis sechs und damit die kürzeste Dauer in allen untersuchten Ländern. Zusätzlich haben durch die Halbtagsschule das Lernen zu Hause, Hilfe der Eltern bei der Hausübung und der Kontakt mit den Lehrern in Österreich wesentlichen Einfluss auf die Bildungskarriere der Kinder.

Dass in Schweden weder der soziale Hintergrund noch die Herkunft der Eltern die Bildungschancen wesentlich beeinflussen, stimmt Herzog-Punzenberger auch für Österreich optimistisch. "Es gibt Handlungsspielraum jenseits der Herkunftskultur." Gleichzeitig warnte sie davor, Aufgaben des Staates an die Eltern zu delegieren: "Solange es nicht optimale Förderbedingungen für alle Kinder gibt, sollten wir die Eltern ihre Schichtarbeit machen lassen, ohne dass sie abends müde aus einem Buch vorlesen, das sie selbst nicht verstehen."

In Österreich wurden für  die Studie persönliche Interviews mit rund 700 Personen zwischen 18 und 35 Jahren geführt, deren Eltern aus der Türkei stammen, die aber selbst bereits in Österreich geboren wurden. Die gesamte Studie erscheint Ende des Jahres im Band "The European Second Generation Compared. Does the Integration Context Matter?" bei Amsterdam University Press. (APA)