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Albert Einstein war die Idee der Quantenverschränkung suspekt und bezeichnet sie deshalb als  "spukhaft".

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Die Klassiker unter den Nahtoderfahrungen: Losgelöst vom eigenen Körper schwebt der Betroffene nach oben und beobachtet, wie Mediziner versuchen sein Leben zu retten. Ebenso häufig wird von Tunneln berichtet, an deren Ende ein helles Licht oder Lichtgestalten erscheinen. Mitunter passiert das alles in Zeitraffer und gewährt auch noch einen Rückblick auf das eigene Leben. Rund fünf Prozent der deutschen Bevölkerung berichten von solchen oder ähnlichen Erlebnissen. Allesamt Menschen, die für kurze Zeit dem Tod ziemlich nahe gekommen sind, sei es während einer Operation oder im Rahmen eines lebensbedrohlichen Ereignisses.

In der medizinischen Forschung überwiegt der Tenor, dass sich das Phänomen Nahtod durch den Sauerstoffmangel, absterbende Gehirnzellen und damit verbundenen neurobiologischen Prozessen erklären lässt. Neueste Studien ergeben auch einen Zusammenhang zwischen erhöhter Kohlendioxid-Konzentration im Blut und dem Auftreten von Nahtoderlebnissen.

Neurobiologie und Quantenphysik?

Der emeritierte Mathematik-Professor und Physiker Günter Ewald aus Bochum hält eine  Verknüpfung der Neurobiologie und der Quantenphysik für notwendig. Für ihn öffnet sich damit ein Weg zu einem "neuen naturwissenschaftlichen Weltbild, das bislang scheinbar unmögliche Phänomene, wie sie in Nahtoderlebnissen auftreten, und die Existenz einer unsterblichen Seele nicht mehr ausschließt." Vor allem dem quantenphysikalischen Phänomen der Verschränkung zweier Lichtteilchen komme hier besondere Bedeutung zu.

"Ein Markstein in der Entdeckung neuer Wirklichkeitsformen durch die Quantenphysik war die Beobachtung, dass zwei Photonen oder andere kleinste Teilchen eine sehr enge Verbindung miteinander eingehen können, die auch dann noch erhalten bleibt, wenn die Teilchen in entgegen gesetzter Richtung beliebig weit voneinander wegfliegen. Insbesondere äußert sich diese Verbindung darin, dass eine Zustandsänderung, die man bei einem auslöst, sich sofort, also schneller als mit Lichtgeschwindigkeit, auf das andere überträgt. Man spricht von Nichtlokalität", erklärt der Physiker. Der Neurobiologie stehe laut Ewald eine auf Quantenphysik - insbesondere auf dieser Verschränkung aufgebaute - neue Ära noch bevor.

"Spukhafte Fernwirkung"

Einstein selbst, dem Ur-Vater der Relativitätstheorie, war dieses Phänomen der Nichtlokalität  suspekt. Er sah es als Widerspruch zur Relativitätstheorie und nannte es "spukhafte Fernwirkung". Heute ist dieses Phänomen experimentell schon längst nachgewiesen. Für Ewald ist "die neue Art einer Beziehung zwischen Zuständen, die weder zufällig noch kausal bedingt ist, also die nicht-lokale Korrelation zwischen verschränkten Teilchen" das Interessante an der ganzen Sache.

Nahtoderfahrungen, Seele und der Grenzbereich des Parapsychologischen seien vermutlich besonders stark von Verschränkungsphänomenen durchdrungen. "In Telepathieexperimenten konnte man das bereits in Ansätzen nachweisen. Möglicherweise ist die Ablösbarkeit eines Teilbewusstseins vom Körper, wie es in Außerkörpererlebnissen beobachtet wird, als Verschränkungsphänomen einzuordnen und es ergeben sich so Anhaltspunkte für eine neue Umschreibung dessen, was man einmal unsterbliche Seele nannte", so der Physiker. 

Er plädiert deshalb für eine Abkehr vom materialistischen Weltbild der klassischen Physik, "dem die Illusion eignet, grundsätzlich alles Wirkliche naturwissenschaftlich erklären zu können", denn nicht einmal beobachtetes Geschehen sei laut Ewald notwendigerweise erklärbar.

Auch der deutsche Heidelberger Physikprofessor Markolf H. Niemz forscht zum Thema Nahtod und Physik. Für ihn passiert beim Nahtod nichts anderes als die Beschleunigung von Materie auf Lichtgeschwindigkeit. Die Seele würde laut Niemz beim Sterbeerlebnis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Mit einer Computer-Simulation namens "Lucy ins Licht" will der Medizintechniker diese These beweisen.

"Auf dem Boden des Irrationalen"

Das klingt sehr gewagt, gibt es doch für "die Seele" keine naturwissenschaftlich gültige Definition. Gerald Badurek, Professor für Quanten- und Neutronenphysik am Atominstitut der Technischen Universität Wien kann bei solchen Thesen und Experimenten rund ums Jenseits und die Seele nur den Kopf schütteln. Für ihn ist eine Verquickung der Theorien der Quantenphysik mit dem Phänomen Nahtod "esoterischer Humbug".

Dabei geht es ihm nicht nur um die Belegbarkeit der Existenz einer Seele oder einem Leben nach dem Tod, sondern vor allem um die Widerlegbarkeit solcher Thesen. "Eine Theorie, die ich nicht überprüfen kann, ist wertlos. Sie macht nur dann Sinn, wenn man sie falsifizieren, also widerlegen, kann", stellt er fest und hält sich dabei an Karl R. Poppers Kriterium der Falsifizierbarkeit. Denn Badurek sieht keine Möglichkeit Theorien rund um Jenseits und Existenz einer Seele experimentell zu überprüfen. Skeptisch ist er vor allem auch was die Messbarkeit dieser Thesen anbelangt. "Da ist man halt sehr schnell auf dem Boden des Irrationalen, auch vom Konzept her", so der Atomphysiker.

Generell hält er es für schwierig Quantenmechanik und Biologie zu vereinen. "Die Wahrscheinlichkeit, dass bei makroskopischen Objekten wie beim Menschen die Quantenmechanik wirklich ohne Weiteres eine Rolle spielt, ist bis zum Beweis des Gegenteils eine nicht verifizierbare und damit de facto inhaltsleere Behauptung." (derStandard.at, 01.07.2011)