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Wien - Die Teilnehmer des heutigen "Energiegipfels" im Bundeskanzleramt haben sich am Freitag darauf verständigt, dass nach Österreich künftig kein "grauer Strom" mehr fließen soll. "Wir wollen einen Herkunftsnachweis darüber, woher der Strom ist", sagte Kanzler Werner Faymann (SPÖ) nach dem Treffen mit Ministern, Umweltschutzorganisationen und Vertretern der E-Wirtschaft. Wie dies geschehen soll, solle von jenen geprüft werden, die mit der derzeit in Begutachtung befindlichen Stromkennzeichnungsverordnung befasst sind. Im Herbst will Faymann dann noch einen Gipfel einberufen, bei dem diskutiert werden soll, "wie man auf mittlere Sicht Atomstromimport verhindern kann".

"Großer Erfolg"

Viel herausgekommen ist heute also nicht, dennoch schien zwischen Regierungsmitgliedern und Umweltschützern alles eitel Wonne zu sein. Umweltminister Niki Berlakovich (ÖVP) sprach von einem "konstruktiven Gespräch", Klaus Kastenhofer von Global 2000 überhaupt von einem "großen Erfolg". Mit dem heutigen Commitment sei es gelungen, "den jahrelangen Stillstand in der Anti-Atompolitik zu durchbrechen".

Bis die Endkunden auf ihrer Energierechnung sehen, woher ihr Strom kommt, wird es freilich noch eine Weile dauern. Die Regulierungsbehörde E-Control hat kürzlich die sogenannte Stromkennzeichnungsverordnung in Begutachtung geschickt, am 27. Juli läuft die Frist aus. Laut Kastenhofer müsste man nur jenen Satz im Gesetz (ElWOG) streichen, der besage, dass auch Strom unbekannter Herkunft nach Österreich importiert werden darf.

17,5 Prozent grau

Derzeit fließen 17,5 Prozent an Strom nach Österreich, dessen Herkunft nicht festzustellen ist, sagte Christian Schönbauer von der Regulierungsbehörde E-Control am Freitag. Eigentlich müssten die Lieferanten ihren Kunden jetzt schon mitteilen, wieviel von diesem sogenannten grauen Strom aus Atomenergie kommt, allerdings "tun sie das teilweise im Kleingedruckten, sodass es für den normalen Konsumenten nicht mehr erkennbar ist".

Die neue Stromkennzeichnungsverordnung, die bis Ende Juli in Begutachtung ist, soll Abhilfe schaffen. Einen Änderungsbedarf im Gesetz sieht der Ökoenergieexperte nicht: "Wenn keiner mehr Atomstrom will, wird keiner mehr importiert werden."

Herkunftsnachweis "Zukunftsmusik"

Warum gibt es überhaupt grauen Strom? "Wenn Lieferanten Strom von Strombörsen zukaufen, ist nicht mehr eindeutig zuordenbar, aus welchen Energieträgern dieser erzeugt wurde", erklärte Schönbauer. Der ungeliebte Atomstrom verbirgt sich im "grauen Strom". Derzeit liegt der Atomstromanteil bei rund 6 Prozent. Einige Börsen überlegten bereits, den Verkäufern zu ermöglichen, anzugeben, woher der Strom stammt - damit quasi der Herkunftsnachweis mit dem Strom mitverkauft werden kann. Das sei aber noch "Zukunftsmusik".

Bis dahin werden große Stromkonzerne immer Graustrom im Portfolio haben, so Schönbauer. Das heiße aber nicht, dass sie den auch an die heimischen Haushalte verkaufen müssen. Denn Verbund und Co. hätten auch abseits von der an der Börse erworbenen Elektrizität genug Strommengen für den österreichischen Endkundenmarkt über, Strom beispielsweise, den sie selbst - zum Beispiel aus Wasserkraft - erzeugen. Die großen Energiekonzerne "verkaufen ja auch Strom an andere Länder und handeln untereinander", so Schönbauer.

Ganz eliminieren könne man den grauen Strom nicht, meinte der Experte. "Faktum ist: Es gibt Strombörsen. Und die will seriöserweise auch niemand verbieten."

Den größten Einfluss auf den Atomstromanteil habe der Kunde selbst, daher mache es auch keinen Sinn, hier per Gesetz (ElWOG) etwas zu verbieten. "Ob jemand spanische oder italienische Tomaten kauft, wird man nicht im Gesetz festmachen können." Das beim heutigen Energiegipfel im Bundeskanzleramt festgelegte Ziel, dass es künftig keinen Strom unbekannter Herkunft mehr geben soll, kann aus der Sicht Schönbauers alleine mit der Stromkennzeichnungsverordnung erreicht werden. Diese enthalte strenge Vorgaben, wie Graustrom in Hinkunft ausgewiesen sein muss und solle den Konsumenten mehr Klarheit bringen.

Handlungsbedarf sieht Schönbauer auf europäischer Ebene: "Ein Drittel der europäischen Länder führt keine Stromkennzeichnung durch. Das ist sicher eine große Lücke."

Erster Schritt

Die Kennzeichnung von Strom in Österreich sei nur ein erster Schritt, betonten Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP). Das Thema Herkunftsnachweis gehöre auch auf EU-Ebene forciert, wo bisher "noch wenig passiert" sei, wie Spindelegger sagte. Derzeit seien in Europa nur 5 Prozent des Stroms zertifiziert.

Das Ziel, "bilanztechnisch" unabhängig von Atomstrom zu werden, sei jedenfalls erreichbar, versicherte Faymann. Über die "tatsächliche" Unabhängigkeit solle dann im Herbst befunden werden. "Wir wollen überhaupt keinen Atomstrom mehr", bekräftigte er. Für Umweltschützer Kastenhofer wäre es der "Königsweg", ein Importverbot von Atomstrom gesetzlich zu verankern, anstatt dies über den Herkunftsnachweis zu regeln.

Drittes heute besprochene Thema, so Faymann, war die Energiestrategie. Dabei gehe es einerseits um die Energieeffizienz und andererseits um weitere Fortschritte in Sachen erneuerbarer Energiequellen. Zu diesem Zweck sollen die Teilnehmer des heutigen Gipfels in die Arbeitsgruppen zur Energiestrategie eingebunden werden. Auch das Ökostromgesetz wurde angeschnitten. Spindelegger geht davon aus, hier bald einen "Durchbruch" zu erringen. "Ich hoffe auf eine Zweidrittelmehrheit im Parlament." Derzeit hängt die Novelle ja in der Luft, weil sich die Oppositionsparteien querlegen. (APA)